Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
vor die Tür zu setzen. Eine Tür hinten im Lagerraum verband die beiden Gebäude. Ich war damit aufgewachsen, zwischen beiden hin- und herzulaufen, hatte dort für die Schule gelernt, wo es jeweils ruhiger gewesen war, mir Essen aus der Küche geholt, die gerade geöffnet hatte, hatte im Hinterzimmer gespielt oder die Stammgäste an ihren üblichen Tischen besucht. Seit ich groß genug war, um über die Theke zu sehen, kellnerte ich im Slice. Nicht immer freiwillig: Es war peinlich, wenn Kinder aus der Schule herkamen, und ich hasste es, in den Sommerferien die Frühschicht übernehmen zu müssen, aber das Slice und das Morgan’s waren genauso mein Zuhause wie unser orangefarbenes Ziegelhaus.
Ich zog die hohe, schmale schwarze Tür zum Morgan’s auf, und der Messinggriff fühlte sich an meiner Handfläche kühl an. Drinnen haftete der klimatisierten Dunkelheit der Geruch von Tabak und Whiskey an, der über die Jahre in die Ebenholztäfelung gesickert war. Die hölzernen Jalousien beiderseits der Tür waren geschlossen; feine Sonnenstrahlen drangen hindurch und verbreiteten sich über den abgewetzten Eichenholzfußboden.
Charlie, der Barkeeper, war damit beschäftigt, mit einem fadenscheinigen Handtuch die Theke abzuwischen. Er huschte um die paar Gestalten herum, die über ihre Gläser und Flaschen gebeugt dahockten. Es war um diese Zeit nicht viel Betrieb: zu spät fürs Mittagessen, zu früh für die Männer, die in den nahen Fabriken ihre Schicht beendeten, und Charlie nutzte die Flaute, um alles vorzubereiten. Er stellte frische Schalen mit Erdnüssen und Salzbrezeln hin und reihte die Gläser neben dem Zapfhahn auf. In der am weitesten entfernten Nische, ganz hinten, hielt Onkel Billy mit einer Tasse Kaffee und einer ordentlich gefalteten Tribune Hof; er wartete auf meinen Bericht über das Treffen.
» Möchtest du etwas Kaltes zu trinken, Mo? Es ist da draußen heißer als in der Hölle.« Charlies breites, unansehnliches Gesicht hellte sich auf, als er mich anlächelte, und er wischte sich die Hände an der weißen Schürze ab, die sich um seine Körpermitte spannte. Er hatte bereits ein Glas mit Eis gefüllt.
Ich hatte eigentlich keinen Durst, aber meinen Ärger über den Tag an Charlie auszulassen wäre wirklich gewesen, wie einen Welpen zu treten. » Cola light?«
Er verzierte sie mit drei Kirschen, wie er es schon getan hatte, als ich noch ein Kind gewesen war. » Bitte schön, Schätzchen. Wie geht es dir?«
Ich zuckte mit den Schultern. » Wie geht es dir?« entwickelte sich langsam zu der Frage, die ich am wenigsten mochte. Ich hörte sie oder irgendeine ihrer Abwandlungen eine Million Mal am Tag. » Ganz gut. Onkel Billy wollte, dass ich vorbeischaue.« Ich nickte nach hinten hinüber.
Charlies Blick huschte zu einem Typen am anderen Ende der Bar. Er war so unauffällig wie jeder der anderen Gäste, einsam und still. Vor ihm lag neben seinem Glas ein zerlesenes Taschenbuch.
» Klar, Mädchen«, sagte Charlie. » Wir plaudern später.«
Ich nahm mein Glas und ging nach hinten. Zu meinem Erstaunen war Veritys Vater schon da. » Was du auch tun kannst«, sagte er mit rauer Stimme. » Meine Frau und ich… wir können einfach nicht…«
Onkel Billy stand auf und drückte Mr. Grey die Hand. » Natürlich«, sagte er. » Sie war ein reizendes Mädchen, und es ist eine Sünde, dass sie nicht mehr unternommen haben. Grüß Patty und Constance lieb von mir.«
Ich blieb stehen, als Mr. Grey im engen Gang an mir vorbeikam. » Mo…«, begann er, aber ihm versagte die Stimme.
Ich wartete, ob er noch mehr sagen würde, aber stattdessen berührte er mich kurz an der Schulter, bevor er hinausschlurfte. Er wirkte verhärmt und farblos, wie eine Zeitung, die man draußen im Regen hat liegen lassen. Ich verspürte bei dem Anblick einen stechenden Schmerz.
» Setz dich, Mo«, sagte Onkel Billy in gebieterischem, aber freundlichem Ton. » Die Lebenden tragen die größere Bürde, nicht wahr?«
Ich wischte mir die Augen. » Was wollte Mr. Grey?«
» Frieden«, sagte er nach einem Moment. » Und es wird ohne Zweifel lange dauern, bis der eintritt. Nun, wie war dein Verhör?«
» Ich konnte niemanden identifizieren.« Ich nippte an meinem Glas. » Es kam mir ziemlich zwecklos vor. Kowalski hat einen Haufen Fragen gestellt und meine Antworten ignoriert.«
» Ich schätze, er hat nach mir gefragt.«
» Ja. Elsa hat dem aber ein Ende gesetzt.«
» Davon bin ich überzeugt«, sagte er mit einem befriedigten
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