Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin
Sie wäre gestorben«, sagte Luc mit zusammengebissenen Zähnen.
» Du wusstest, was sie tun musste. Was geschehen musste und immer noch geschehen muss. Was hast du damit gewonnen, uns im Stich zu lassen?« Dominic verzog die Lippen vor Abscheu. » Ein paar Stunden?« Er machte eine ruckartige Kopfbewegung zur Schlafzimmertür, hinter der das zerwühlte Bettzeug deutlich zu sehen war. » Ich hoffe, sie war es wert.«
» Luc?« Ich wich zurück und stieß gegen einen Beistelltisch. Das Windlicht, das darauf stand, fiel zu Boden, aber ich war die Einzige, die bei dem Klirren zusammenzuckte.
Luc drehte sich langsam mit flehentlicher Miene um.
» Es ging nie darum, neue Linien zu schaffen, nicht wahr? Ihr wolltet von Anfang an, dass ich mit der Magie verschmelze. Deshalb …« Mir versagte die Stimme. » Deshalb konnte ich dich nicht finden. Sie haben dich angewiesen, mich dortzulassen, und du hast es getan.«
» Mouse …«
» Sag nichts, Luc. Du würdest doch nur lügen.« Ich wandte mich an Pascal. Von ihnen allen vertraute ich ihm am meisten. Nicht, dass ich geglaubt hätte, dass er mich beschützen würde! Aber er würde mir meine Fragen beantworten. Der Wissenschaftler in ihm konnte dem nicht widerstehen. » Was ist geschehen, nachdem ich ohnmächtig geworden bin?«
Er legte mit klinischer Nüchternheit die Fakten dar. » Stell dir die Linien als Kreislaufsystem vor und die Magie als Blut. Wir hatten gehofft, dass du, sobald du mit der Quelle der Magie verschmolzen wärst, als Herz dienen und in berechenbarem Maße Kraft an die Linien weiterleiten würdest. Als du die Bindung nicht vollständig vollzogen hast, hast du einen Riss verursacht, sehr nahe an der Quelle der Magie, wie ein Loch in der Hauptschlagader. Jetzt läuft die Magie aus dem System aus.«
Ich hielt mich am Sofa fest, um das Gleichgewicht zu wahren. » Ich habe eine zweite Sturzflut ausgelöst?«
» Eigentlich genau das Gegenteil. Die Sturzflut war tödlich, weil der Ausbruch roher Magie die schwächeren Bögen vernichtet hätte. In diesem Fall hingegen breitet die Magie sich auf der Welt aus und verteilt sich immer weiter. Die Linien können sich nicht neu mit Kraft auffüllen, und ohne Linien, auf die sie zurückgreifen können, sind die meisten Bögen machtlos.«
» Die meisten, aber nicht alle?«
» Bögen mit den stärksten Talenten können selbst die kleinsten Linien nutzen, um einen Zauber zu wirken, und könnten stattdessen wahrscheinlich auch auf eine geringe Menge freier Magie in der Umgebung zurückgreifen. Aber schwächere Bögen werden ihre Fähigkeiten verlieren.«
Orla mischte sich mit bekümmerter Miene ein: » Sie werden entweder unter Flachen leben müssen oder von der Großzügigkeit mächtigerer Bögen abhängig sein.«
» Das läuft auf dasselbe hinaus«, sagte Dominic. » Nur die stärksten werden übrig bleiben. Genau das wollen die Seraphim erreichen, um eine neue Rasse von Bögen zu erschaffen und die anderen zu beherrschen.«
» Du hast Anton den Sieg auf dem Silbertablett serviert«, sagte Orla.
Ich hatte den Leuten geholfen, die Verity getötet hatten; nichts anderes hatten sie mir gerade erzählt. Mein ganzer Körper war wie betäubt. Sie war bei dem Versuch gestorben, die Seraphim aufzuhalten, und ich hatte ihnen genau das gegeben, was sie wollten. Mein Versprechen an sie war nichts wert gewesen.
Dominic packte mich am Arm und schüttelte mich. Luc hatte uns den Rücken zugewandt und reagierte nicht. » Hörst du überhaupt zu? Du hast einen Bund geschmiedet. Du hast geschworen, die Magie in Ordnung zu bringen, und alles, was du getan hast, war, die Sache noch schlimmer zu machen. Du musst zurückkehren.«
Ich fragte mich, wie ich ihn je hatte nett finden können. » Es muss einen anderen Weg geben.«
» Es gibt keinen. Die Magie versiegt. Uns bleiben noch ein oder zwei Tage, bis sie ganz verschwunden ist. Entweder hältst du deinen Teil des Bundes ein und stellst sie wieder her, oder dein Leben ist verwirkt. Und du«, fuhr Dominic fort und starrte Lucs Rücken an. » Vergiss nicht, wer du bist.«
Pascal warf mir einen entschuldigenden Blick zu, als sie hinausgingen, und blieb neben Luc stehen, um ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Und dann waren Luc und ich wieder allein, und die Welt war auf den Kopf gestellt.
Eine leichte Brise strich durchs Zimmer und trug den Geruch der Süßen Duftblüte mit sich.
» Ich konnte es nicht tun«, sagte er. » Deshalb ist Dominic so verärgert. Ich konnte dich
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