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Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin

Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin

Titel: Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erika O'Rourke
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Jacke, meinen Schal und meine Handschuhe wie eine Spur aus Brotkrumen hinter mich fallen. Auf der Anrichte stand eine vertraute grüne Flasche Jameson, und das gedrungene Motelglas enthielt immer noch einen Zentimeter Whiskey.
    » Mo?«
    Ich goss mit steifen Händen zwei weitere Fingerbreit dazu. Bevor Colin das Zimmer durchqueren und mir meine Beute abnehmen konnte, stürzte ich die Hälfte davon hinunter und spürte, wie das Feuer mir durch Kehle und Brust sauste.
    » Was zur Hölle ist passiert?« Er entriss mir das Glas.
    » Nichts. Alles. Ich habe Mist gebaut.« Mir kamen die Tränen. Es war schwer zu sagen, ob das am Whiskey oder an dem Eingeständnis lag, aber es war mir auch egal. » Gib mir meinen Drink wieder.«
    » Eigentlich war das mein Drink.«
    » Wie auch immer.« Ich wirbelte herum und schnappte mir ein anderes Glas.
    » Entspann dich.« Sehr sanft entwand er die Flasche meinem Griff und stellte sie auf den Tisch. » Bist du verletzt?«
    Ich ließ mich auf den Schreibtischstuhl fallen. » Nicht mehr.«
    » Luc hat dich geheilt.«
    Er hatte mich geheilt und von oben bis unten wieder zerbrochen. Ich fragte mich, ob ein Mensch nur eine begrenzte Anzahl von Malen geheilt werden konnte, ob er irgendwann an einen Punkt kam, an dem er eher aus Rissen und Splittern als aus einem Ganzen bestand, und was dann aus ihm wurde. » Es geht mir gut.«
    » Natürlich. Willst du darüber reden?«
    » Nicht einmal in Ansätzen.«
    Er trank einen Schluck Whiskey. » Ist es vorbei? Bist du fertig mit ihnen?«
    » Ich werde nie mit ihnen fertig sein. Wenn der Dritte Weltkrieg kommt, werden die einzigen Dinge, die auf diesem Planeten überdauern, Küchenschaben und Twinkies sein – und Bögen, die mir erzählen, dass ich die verdammte Welt retten soll!«
    Seine Augen waren dunkel und sorgenvoll, aber er ließ mich weiterplappern.
    » Wie kommst du nur damit zurecht?«, fragte ich. » Wie kannst du das Wissen ertragen, dass du dein ganzes Leben an etwas … an jemanden … gefesselt verbringen wirst, selbst wenn du das gar nicht willst? Macht dich das nicht fuchsteufelswild? Willst du nie dein eigenes Leben haben?«
    » Das hier ist mein Leben. Ich habe die Entscheidungen gefällt, die mich hierhergeführt haben. Jetzt mache ich aus dem, was ich habe, das Beste. Das hält mich allerdings nicht davon ab, manchmal mehr zu wollen.« Er drehte das Glas in der Hand und betrachtete die bernsteinfarbene Flüssigkeit, als ob sie die Antwort wüsste. » Die Bögen lassen dich also nicht gehen?«
    » Sie brauchen mich. Und sie sitzen am längeren Hebel.«
    Verstehen huschte wie ein Schatten über sein Gesicht. Wortlos reichte er mir das Glas.
    » Also«, sagte ich, nachdem der Whiskey meinen Blutkreislauf erreicht und mir Mut gemacht hatte. » Wir hatten eine Abmachung.«
    » Hatten wir?« Er setzte sich auf die Bettkante, die Ellbogen auf die Knie gestützt, und hätte auf einen flüchtigen Betrachter ganz entspannt gewirkt.
    » Ich habe dir versprochen zurückzukommen. Und das« – ich stand auf und vollführte eine schwungvolle Geste, als würde ich mich selbst präsentieren – » habe ich getan.«
    Sein Mundwinkel zuckte. » Ich verstehe.«
    Das tat er. Er hatte diesen bedächtigen, hungrigen Blick, der all meine Geheimnisse und Verteidigungswälle gründlicher hinwegfegte als jeder Alkohol.
    Ich ging langsam durchs Zimmer und ließ mich gegenüber von ihm auf dem Bett nieder. » Es wird Zeit zu bezahlen.«
    » Du willst doch gar nicht hierbleiben«, sagte er. » Du willst schon seit Ewigkeiten nach New York.«
    » Wenn ich bleiben würde«, beharrte ich, » was würde dann passieren?«
    » Das hängt davon ab.« Er berührte den Saum meines Pullovers.
    » Wovon?«
    » Davon, ob du vorhast, dich mir weiter an den Hals zu werfen.«
    Ich versetzte ihm einen Stoß gegen die Schulter, und er blickte auf, die Augen voller Lachen und Begehren. » Weißt du, ich bin kein Heiliger.«
    » Ich bin so froh, das zu hören.« Ich beugte mich vor und küsste ihn heftig. Seine Hände krampften sich um meine Taille, und ich versank in dem köstlich vertrauten Gefühl, während der Geschmack des Whiskeys sich auf meiner Zunge mit dem von Colin vermischte.
    Als wir uns voneinander lösten, um Luft zu holen, sagte ich so vernünftig, wie ich nur konnte: » Ich habe mich dir nicht an den Hals geworfen.«
    Er lehnte sich zurück und kämpfte gegen ein Lächeln an. » Du bist hereinspaziert, hast zwei Gläser Whiskey getrunken, angeboten, in

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