Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin
ruhigen Blick. » Deine Mutter wollte, dass du das erfährst.«
Ich atmete langsam aus. Also nicht Mom. Darauf kam es an. Nicht meine Mutter.
» Es hat gebrannt«, sagte er. » Im Slice.«
» Wie schlimm?« Das Zimmer schien zu kippen, und die grellen Farben der Vorhänge verschwammen miteinander. Er setzte sich hin und zog mich auf seinen Schoß. Ich ließ den Kopf an seiner breiten Brust ruhen. » Es ist komplett abgebrannt, nicht wahr?« Sie hatte alles für das Restaurant geopfert – alles –, und jetzt war es nicht mehr da. Es schnürte mir die Kehle zu, und ich schob den Kummer weg, um stattdessen nach Zorn zu suchen.
» Das Morgan’s hat einige Rauch- und Wasserschäden davongetragen. Es öffnet bald wieder.«
» Aber nicht das Slice.«
Er beugte sich vor und lehnte die Stirn an meine. » Wir sollten losfahren.«
» Es war kein Unfall, nicht wahr? Steckt Ekomow dahinter?«
Er zuckte mit den Schultern. » Es ist ziemlich schnell in Flammen aufgegangen.«
» Warum das Slice?«
» Billy lässt das Haus überwachen, aber das Restaurant eignet sich fast genauso gut, wenn man ihm einen Schuss vor den Bug verpassen will.«
Ich stand auf, und Colin nahm mich an die Hand. » Ich schätze, mein Vater muss warten.«
» Das nehme ich auch an.« Er half mir in meine Jacke, packte zusammen und scheuchte mich hinaus. Über Nacht war der Regen in Schnee übergegangen, der schon zwei Zentimeter hoch lag. Der zugezogene Himmel verhieß weitere Schneefälle. Alle Sterne waren ausgelöscht. Vorher und Nachher, sagte ich zu mir selbst. Und die Nacht, die wir hier verbracht hatten, war ein Moment, der außerhalb der Zeit hing.
Da Colin darauf bestand, versuchte ich, den Kopf an seine Schulter gelegt, zu schlafen, während er den Truck nach Norden lenkte.
» Das ändert alles, nicht wahr?«, fragte ich, als wir seit etwa einer Stunde unterwegs waren. Die Rädchen in meinem Kopf drehten sich. » Billy will aus einem bestimmten Grund, dass ich nach Hause komme.«
» Wahrscheinlich. Ich würde dich ja instinktiv eher eine Weile aus der Stadt fernhalten.«
Warum hätte man jemanden, den man liebte, in Gefahr bringen sollen? Lucs Gesicht blitzte vor meinem inneren Auge auf. Weil derjenige etwas hatte, was man brauchte, etwas, das man sich nicht mit Gewalt holen konnte. Etwas, das nur dieser eine Mensch tun konnte und niemand sonst. Was hatte ich, das Billy wollte und das dafür sorgte, dass Marco Forelli auf eine Oberstufenschülerin aufmerksam wurde?
Ich schmiegte mich enger an Colin, atmete seinen Geruch ein und versuchte, das tröstliche Gefühl wieder wachzurufen, das ich in der letzten Nacht verspürt hatte. Als wir uns der Stadt näherten, zwangen uns der Schnee und die Hauptverkehrszeit, zentimeterweise voranzukriechen. Dort, wo wir in meine Straße hätten abbiegen müssen, schüttelte ich den Kopf und berührte Colin am Ärmel. » Zum Slice«, sagte ich.
» Ich soll dich nach Hause bringen.«
» Ich muss es sehen. Bitte.«
Das Gebäude war eine leere Hülle – der säuerliche Geruch nach Asche und Rauch war dicker als die Schneeschicht, die den Schutt bedeckte. Sogar jetzt noch tasteten sich Feuerwehrleute durch die Trümmer, um sich zu vergewissern, dass nichts mehr schwelte. Rettungsfahrzeuge säumten die Straße, Blau- und Rotlicht wirbelten oberhalb der gezackten Löcher, die früher unsere Fenster zur Straße hin gewesen waren. Kameraleute der lokalen Fernsehnachrichten rangelten um die beste Perspektive, aus der so viel Verwüstung wie möglich zu sehen war. Sie hätten sich die Mühe sparen können. Es war gar nicht zu vermeiden zu sehen, was aus dem Slice geworden war. Sogar das altmodische Plastikschild an der Fassade war zu einem unkenntlichen Klumpen zusammengeschmolzen.
Ich sprang aus dem Truck, bevor Colin den Motor abstellte, rutschte auf den schmutzigen, rußigen Schneehaufen aus und bekam nasse Füße.
» Miss«, sagte einer der Polizisten, » Sie können da nicht rein.«
» Das ist das Restaurant meiner Familie!«
» Es ist zu unsicher«, sagte er mit fester Stimme und verstellte mir den Weg, als ich um ihn herumzuflitzen versuchte.
Ich suchte die Menge nach meinem Onkel ab und fand ihn damit beschäftigt, die ganze Szene mit einer Miene zu beobachten, die so eisig war wie der Wind, der die Straße entlangpeitschte.
» Onkel Billy?«
» Mo? Donnelly sollte dich doch nach Hause bringen.«
» Ich habe ihn überredet, mich herzufahren.«
Er nickte geistesabwesend und hielt den Blick
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