Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin
eingeschlagen, aber welche Wahl hatte ich schon? Ich musste sichergehen, dass die Schläger nicht zurückkehren und Colin noch mehr antun würden, sobald ich gegangen war, ich musste meinen Onkel sehen, und ich brauchte jemanden, dem ich vertraute, damit er auf Colin aufpasste. Es war kein perfekter Plan, aber er war alles, was ich hatte – bis auf die Pistole, die ich in meiner Jacke verbarg, als wir zum Auto der beiden hinausgingen.
Es war die längste, stillste Autofahrt meines Lebens. Meine Finger schmerzten, weil ich den Griff so fest umklammert hielt. Als wir das Morgan’s erreichten, schob ich die Pistole in die Jackentasche und ließ Billys Männer vorangehen.
Das Morgan’s hatte noch nicht wieder geöffnet – zumindest nicht offiziell –, aber ein paar unverwüstliche Stammgäste hockten an der Theke beisammen. Es waren nur geringe Reparaturen notwendig, und ich bezweifelte nicht, dass die Bar binnen einer Woche wieder den Betrieb aufnehmen würde. Das Slice würde auf unbestimmte Zeit geschlossen bleiben, und der Gedanke daran machte mich noch etwas zorniger.
Ich musterte Billys Gesicht, als er seine Schläger entdeckte. Kalte Erwartung – er hatte einen Befehl gegeben und rechnete jetzt nur mit der Bestätigung, dass er ausgeführt worden war. Als er mich sah, wurde sein Gesicht vor Entsetzen ausdruckslos. Ich ließ mich von meiner Wut leiten und fühlte mich so kalt, wie er dreinblickte.
» Mo«, sagte er vorsichtig. » Was machst du hier?«
» Deine Männer haben mich hergefahren. Ich glaube, sie mögen mich nicht besonders.«
» Und warum sollte das so sein?«
» Na ja.« Ich legte die Pistole auf den Tisch zwischen uns. » Wahrscheinlich, weil ich damit gedroht habe, sie zu erschießen.«
» Leg das weg«, zischte er und zuckte zurück. » Bist du wahnsinnig, Kind?«
» Ich bin kein Kind, aber ich bin wahnsinnig wütend. Diese beiden Höhlenmenschen haben Colin heute auf deinen Befehl hin zusammengeschlagen.«
Er bedachte mich mit einem völlig gleichgültigen Blick. » Er wusste, was geschehen würde. Ich habe ihm ja gesagt, dass er dir nicht nachstellen soll.«
» Ich bin fast achtzehn. Du hast nicht darüber zu entscheiden, wen ich liebe.«
» Du bist also verliebt in ihn, nicht wahr? Das ist ein Fehler. Er ist innerlich gebrochen.«
» Ich bekomme ihn wieder hin.«
Billy lachte höhnisch. » Das hat deine Mutter auch über Jack Fitzgerald gesagt – und wie toll ist das gelaufen? Du weißt nicht, womit du es zu tun hast.«
» Ich weiß über Raymond Gaskill Bescheid«, sagte ich. » Zumindest über das meiste. Er ist tot, oder? Colin hat ihn erschossen.«
» Das hat er dir erzählt?«
Ich antwortete nicht. » Was ich mir nicht erklären kann, ist, wie du in die Sache verwickelt worden bist. Sie sind doch in Denver aufgewachsen.«
Er lehnte sich mit verschränkten Armen zurück, den Blick starr auf die Pistole gerichtet. » Raymond Gaskill war ein Schläger. Ein kleiner Fisch. Unsere Wege haben sich dann und wann gekreuzt. Er hatte in Chicago zu tun, oder ich bin nach Denver geflogen. Nach einer Weile lernt man Leute kennen, und ich wusste, dass er ein böser Mann war.« Er sah mich unverwandt an. » Ich möchte wetten, du hast geglaubt, ich wäre so übel wie nur irgendeiner. Aber Gaskill war viel schlimmer. Ich wollte mir immer die Haut wundschrubben, wenn ich ihm auch nur die Hand geschüttelt hatte. Ich wusste, dass er die Jungen als Boxsäcke missbrauchte, und hatte einen Verdacht, was er mit dem kleinen Mädchen anstellte. Aber er hatte Verbindungen und war nützlich, deshalb haben die Leute in den höheren Etagen ein Auge zugedrückt.«
» Bis das Jugendamt die Kinder abgeholt hat.«
» Die Mitarbeiterin war neu, leicht zu übertölpeln. Jede ernstzunehmende Sozialarbeiterin hätte nachweisen können, dass der Mann ungeeignet war. Aber als die Kinder dann zurückgeschickt wurden, verlor er den Verstand. Er hat sich ein letztes Mal auf sie gestürzt.« Er zuckte die Achseln. » Es war ziemlich leicht zu vertuschen. Niemand wollte Ermittlungen über Gaskill – er hatte Verbindungen zu vielen Leuten, die Wert auf Anonymität legten. Donnelly stand unter Schock. Das Mädchen – Tess – lag immer noch im Koma. In Denver hatten sie keine Zukunft. Sie wären voneinander getrennt worden. Also habe ich sie hierhergebracht und Colin auf die Militärschule geschickt, damit er ein bisschen Disziplin lernt, habe die Mutter und den kleineren Jungen anständig begraben lassen
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