Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin
nicht überbracht haben.«
» Mo«, sagte Colin nach einem Augenblick in seltsam ausdruckslosem Ton. » Geh ins Schlafzimmer. Komm nicht heraus, bevor ich Bescheid sage.«
» Was? Nein.«
Die Stimme knisterte wieder durch den Lautsprecher und klang diesmal ungeduldiger. » Lass uns rein, Mann! Wir versuchen, höflich zu sein. Das haben wir nicht nötig.«
» Gebt mir eine Minute«, sagte er zu ihnen und schnappte sich meine Jacke und meinen Schal. Er zog mich vom Sofa hoch und begann, meine Arme in die Ärmel zu stopfen. » Geh ins Schlafzimmer. Da ist ein Schrank, der große aus Kirschbaumholz, an der hinteren Wand. Ich will, dass du hineinsteigst und ihn von innen abschließt. Verstanden?«
» Billy schickt diese Typen.«
» Ja.«
» Sie wollen reden. Das haben sie doch gesagt – dass sie eine Nachricht zu überbringen haben.«
» Sie sind nicht hier, um zu reden. Du musst dich verstecken. Komm nicht raus, solange du dir nicht sicher bist, dass sie gegangen sind.«
» Das ist verrückt, Colin. Rede mit ihnen. Lass mich mit ihnen reden. Sie werden mir nichts antun …«
Es war ein dumpfes Dröhnen zu hören, als ob jemand gegen die Tür hämmerte, und der Summer plärrte erneut, während Colin mich ins Schlafzimmer führte.
» Donnelly, mach es nicht noch schlimmer!«
» Sofort, Mo. Jemand hat uns gesehen. Jemand hat geredet. Billy weiß Bescheid.«
» Ich rufe ihn an.« Ich wühlte in der Tasche nach meinem Telefon. » Ich bringe das schon wieder in Ordnung.«
» Du wolltest nicht, dass ich bei der Magie zusehe. Du konntest es dir nicht leisten, abgelenkt zu sein.« Ich begann zu zittern, und er fuhr fort: » Ich komme hier nicht lebend raus, wenn ich auch noch dich beschützen muss.«
» Kommst du überhaupt hier heraus?«
» Ich werde es versuchen. Aber du musst dich verstecken. Du darfst nicht zusehen.«
» Colin …«
» Ich wusste, dass wir es nicht hätten tun sollen. Ich kannte das Risiko.« Er küsste mich hauchzart. » Handlungen und Konsequenzen. Und du warst es wert. Jede einzelne Sekunde lang.«
Er stieß mich auf den Schrank zu, als ein gedämpftes Krachen aus der Werkstatt erklang. » Geh!«, sagte er und zog die Tür hinter sich zu.
Ich stieg in den Schrank, ganz wie er gesagt hatte, und schloss die Tür. Der Schrank roch nach Colin, nach Sägespänen und Waschpulver, und ich begrub das Gesicht im abgewetzten Flanell seiner Hemden. Dann tastete ich mich bis zur Rückwand vor und drückte die Hände fest gegen das glatte Holz. Er hatte diesen Schrank selbst gebaut. Ich versuchte in der Dunkelheit, mir vorzustellen, wie seine Hände die Holzplatte berührten und mit geschmeidigen, unbeirrbaren Bewegungen den Firniss darauf verstrichen. Ich hörte nichts bis auf das Rascheln seiner Kleider und mein panisches Keuchen und versuchte, meine Atmung dem Rhythmus anzupassen, in dem Colin, wie ich mir ausmalte, die Platte geschmirgelt hatte.
Er hatte mir gesagt, dass ich die Tür verschließen sollte. Ich griff nach dem Riegel, aber als meine Finger ihn streiften, erstarrten sie. Colin war dort draußen und meinetwegen in Lebensgefahr. Weil ich ihn bedrängt hatte, obwohl er mich gebeten hatte, es nicht zu tun. Ich hatte ihn weichgeklopft, wie Wasser Stein zu Sand zermahlen konnte, und jetzt brach alles zusammen. Es war allein meine Schuld, und ich kauerte in einem Schrank und war machtlos, etwas daran zu ändern.
Nur, dass ich nicht machtlos war. Ich griff tief in mir nach der Magie und spürte das Summen, das mir schon so vertraut war, dass ich es kaum noch bemerkte. » Komm schon«, flüsterte ich und versuchte, eine Linie heraufzubeschwören. Die Magie vibrierte zur Antwort ein wenig, aber es gab keine knisternde Strömung, die ich für meine Zwecke hätte einspannen können, keine Energiewelle, die ich gegen die Kerle richten konnte, die hinter Colin her waren. » Komm schon, verdammt!«
Ich spürte, wie die Kraft durch meine Adern glitt und sich wie eine Ranke um mich schlang. Die Verbindung war noch so stark wie in dem Augenblick, in dem sie sich herausgebildet hatte, aber ganz gleich, was ich versuchte, ich konnte sie nicht einsetzen. Es kam mir so unfair vor, dass ich hätte schreien mögen – all diese Macht und keine Möglichkeit zu helfen.
Aus dem Wohnzimmer drang Gemurmel herüber. Die Stimmen verstummten, und dann ertönten ein dumpfer Aufprall und ein Ächzen, das widerliche Geräusch einer Faust, die auf Fleisch traf. Ich schlug die Hände gerade noch rechtzeitig vor
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