Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin

Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin

Titel: Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erika O'Rourke
Vom Netzwerk:
deine Mutter dich zu Hause bleiben lässt und allein nach Terre Haute fährt.«
    » Es ist unfassbar, dass du glaubst, ich würde mitfahren.«
    » Ich bin nicht gerade begeistert darüber, dass du ganz allein hierbleibst. Es haben zu viele Leute Interesse an dir.«
    » Ich bin ja nicht ganz allein. Lena ist auch noch da. Du hast selbst gesagt, dass Ekomow mir längst etwas angetan hätte, wenn er es wollte.«
    Wir fuhren hinter dem Haus vor, und ich spürte, wie der straffe Knoten aus Furcht sich in meiner Brust ein wenig löste und die Besorgnis schwand, dass er die Akten in meiner Tasche entdecken könnte.
    » Kommst du mit rein?« So machten wir es normalerweise, wenn ich nicht arbeiten musste. Er aß etwas und sah sich Sport im Fernsehen an, während ich Hausaufgaben machte. Manchmal werkelte er unter der Kühlerhaube des Trucks herum oder reparierte irgendwelchen Kleinkram im Haus, um den meine Mutter sich Gedanken machte. Wir flirteten und blödelten, und es war ganz einfach das, was seit Veritys Tod Normalität am nächsten kam. Manchmal, wenn die gehässigen Bemerkungen und scheelen Blicke in der Schule mich besonders trafen, waren diese Momente alles, worauf ich mich freuen konnte.
    Aber zwischen uns war nichts mehr normal. Nichts war einfach. Und heute, da eine Tasche mit Colins Geheimnissen zu meinen Füßen wartete, war seine Gesellschaft das Letzte, was ich wollte.
    » Deine Mutter ist zu Hause«, sagte er. » Ihr solltet ein bisschen Zeit miteinander verbringen, bevor sie nach Terre Haute fährt. Ich setze mich diesmal draußen hin.«
    In der Küche wischte meine Mutter gerade die Arbeitsflächen ab und räumte die Speisekammer um, entschlossen, alles in tadelloser Ordnung zu hinterlassen, wenn sie nachher losfuhr. Ich beobachtete sie von der geschlossenen Veranda aus. Sie war drahtig – klein, aber stark, mit von all der Arbeit im Slice geröteten Händen. Während meiner Kindheit hatte ich sie zahllose Pastetendeckel ausrollen und zupackend mit dem zarten Teig umgehen sehen. Außerhalb des Restaurants oder unseres Hauses schien dieses Selbstbewusstsein sich in Luft aufzulösen, und die Verwandlung machte mich immer traurig. Als ich sie jetzt so geschäftig in der Küche herumsausen sah, empfand ich spontan Zuneigung und Gereiztheit zugleich. Sie laugte sich selbst aus, um alles so perfekt wie möglich zu machen, aber sie weigerte sich einzusehen, dass mein Vater daran schuld war, dass sie so hart arbeiten musste.
    » Du kommst früh nach Hause«, sagte sie und spülte das Waschbecken aus. Der Geruch nach Bleichmittel und künstlichem Zitronenduft lag in der Luft, und ich zog unwillkürlich die Nase kraus. » Wo ist Colin?«
    » Draußen.«
    Sie sah sehr enttäuscht drein. Irgendetwas an Colins unerschütterlicher Art linderte unser gespanntes Verhältnis zueinander. Ich verlor nicht so schnell die Nerven, wenn er dabei war, und meine Mutter war weniger überbehütend. Außerdem liebte er ihre Kochkünste. Sie war immer dann am glücklichsten, wenn sie jemanden bewirten konnte, der auch noch ein zweites Mal Nachschlag nahm. Vor allem aber ging er in der Aufgabe auf, für meine Sicherheit zu sorgen. Dafür allein war meine Mutter bereit, ihn heiligsprechen zu lassen.
    » Daddy wird so enttäuscht sein, wenn er sieht, dass du zu Hause geblieben bist«, sagte sie. » Du könntest immer noch mitkommen.«
    Ich ließ meine Tasche auf den frisch gescheuerten Boden fallen und streifte meine Birkenstock-Latschen ab. » Es ist vier Jahre her. Er rechnet wahrscheinlich gar nicht mit mir.«
    Sie schüttelte den Kopf. » Er vermisst dich.«
    Ich verkniff mir die Bemerkung, dass er, wenn er uns wirklich vermisste, lieber beim reinen Buchhalten hätte bleiben sollen, statt nebenbei Geldwäsche und Veruntreuung zu betreiben. Gute Väter sprangen als Fußballtrainer ein. Sie brachten einem bei, Fahrrad zu fahren. Sie filmten einen beim Auftritt im jährlichen Krippenspiel. Sie begingen keine Schwerverbrechen und wurden auch nicht beim Herbstfest verhaftet, wo sie sich eigentlich um den Bohnensackweitwurf kümmern sollten.
    » Er kommt bald nach Hause. Du bist es ihm schuldig, ein wenig entgegenkommender zu sein.«
    » Was um alles in der Welt könnte ich ihm schuldig sein?«
    Sie legte den Schwamm hin und drehte sich zu mir um. » Dein Vater hat sehr viel für uns geopfert. Du tust so, als ob er freiwillig gegangen wäre, aber nichts ist weiter von der Wahrheit entfernt. Es hat ihn beinahe umgebracht, aber er hat das

Weitere Kostenlose Bücher