Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin
stellte mich vor größere Schwierigkeiten. Wenn ich sie mir ansah, würde ich damit mehr oder minder bestätigen, dass er mir nicht vertrauen konnte. Aber ich hatte keine andere Wahl. Mein Onkel hatte behauptet, dass es Colin freistünde zu gehen, aber er hatte das mit der Zuversicht eines Mannes gesagt, der wusste, dass es nie geschehen würde. Wenn ich Colin helfen wollte freizukommen, musste ich wissen, was Billy gegen ihn in der Hand hatte.
Ich klickte auf » Drucken« und ging dann durch den Klassenraum, um den Ausdruck zu holen.
» Recherche?«, fragte Lena, als ich einen Armvoll Papier aufsammelte.
» In gewisser Weise.« Ich drückte mir den Papierstapel so an die Brust, dass sie nicht lesen konnte, worum es sich handelte.
» Um wie viel Uhr soll ich dich heute Abend abholen? Ist es dir gegen sieben recht?«
» Klar.« Es war ja nicht so, dass ich mir Gedanken um meine Haare und mein Make-up machen musste. Normalerweise fiel die Aufgabe, den Empfangstresen zu bemannen, irgendeiner Zehntklässlerin zu, die verzweifelt hoffte, in die NHS aufgenommen zu werden. Dieses Jahr würde ich es sein, in dem ebenso verzweifelten Versuch, nicht hinausgeworfen zu werden. Als ich auf ein unvergessliches letztes Schuljahr gehofft hatte, hatte ich mir darunter eigentlich etwas anderes vorgestellt.
» Vielleicht könntest du dich mit hineinschleichen, wenn erst alle angekommen sind«, sagte Lena mit offensichtlichem Mitgefühl.
Ich zuckte die Achseln. Ohne Colin hatte der Ball ohnehin keinen Reiz für mich. » Wozu?«
Sie schüttelte verblüfft den Kopf. » Um zu sehen und gesehen zu werden? Aus erster Hand mitzubekommen, worüber am Montag alle reden werden? Langsam mache ich mir Sorgen um dich.«
Ich winkte ab. » Um sieben also, ja?«
Sie grinste, und zwei Grübchen bildeten sich. » Ich kann es kaum erwarten!«
Es klingelte. Ich packte meine Schultasche und schob die Ausdrucke sorgfältig hinein. Colins Akte war solch ein harmloser kleiner Packen Papier … Ich konnte nicht fassen, dass seine Vergangenheit, die er doch bei jeder Gelegenheit vor mir verheimlichte, auf so wenigen Seiten zusammengefasst sein sollte. Sicher wäre die Akte so dick wie ein Telefonbuch gewesen, wenn alles so schlimm gewesen wäre, wie er immer andeutete.
Als ich nach draußen kam, peitschte der Wind auf mich ein und raubte mir den Atem. Colin lehnte am Truck. Sein einziges Zugeständnis an die Kälte war eine dunkelgraue Strickmütze, die zu seinen Augen passte. Ich versuchte, nicht schuldbewusst dreinzublicken, als ich den Bürgersteig überquerte.
» Deine Tasche sieht schwer aus.« Er streckte die Hand aus, um sie mir abzunehmen, aber ich umklammerte den Tragegurt und wich ihm aus.
» Nein! So schlimm ist es nicht, sie ist nicht schwer, nur etwas unförmig. Ich schaffe das schon.« Ich geriet ins Stammeln und widersprach zu entschieden. Colin sah mich eine Sekunde lang mit zusammengekniffenen Augen an, bevor er mir die Tür aufhielt. » Viel Arbeit dieses Wochenende?«
» Ja.« Ich wartete, bis er eingestiegen war und den Motor gestartet hatte, um dann, während ich mir die Finger an der Heizung wärmte, hinzuzufügen: » Es ist so, als ob die Lehrer wissen, dass wir etwas Schönes vorhaben, und ein Gegengewicht schaffen wollen.«
» Etwas Schönes, hm?« Es lag mehr als Neugier in seiner Stimme. Anerkennung, wie ich vermutete, so als ob es ihn freute, dass ich seinen Rat befolgte, mich wie eine normale Jugendliche zu verhalten. » Was denn?«
» Der Ball. Ich tanze aber nicht, sondern nehme nur die Eintrittskarten entgegen. Lena fährt mich hin.«
Schlagartig änderte sich die Stimmung im Fahrerhäuschen. Colins Gesichtsausdruck wurde argwöhnisch. Er hatte, wie mir auffiel, die Pistole nicht mehr im Handschuhfach verstaut, sondern trug sie die ganze Zeit über am Körper, im Holster auf dem Rücken. » Du sollst eigentlich nicht ohne mich irgendwo hingehen.«
Meine Wut flammte auf wie Zunder. » Du wolltest ja nicht mit, und Lena übernachtet bei mir.«
» Obwohl deine Mutter nicht in der Stadt ist? Ist sie damit einverstanden?«
» Ja. Sie dachte, es wäre schön für mich, Gesellschaft zu haben.«
Die Muskeln an seinem Kiefer zuckten. » Du kannst dich auf dem Ball mit ihr treffen. Ich fahre.«
» Nein. Wenn du dir solche Sorgen machst, kannst du uns ja folgen. Du wirst allerdings draußen sitzen müssen. Nur Gäste mit Eintrittskarte werden eingelassen.«
Er ignorierte die Stichelei. » Es ist unfassbar, dass
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