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Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin

Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin

Titel: Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erika O'Rourke
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getan, was er für das Beste gehalten hat. Für uns.«
    » Du hast auch Opfer gebracht. Wolltest du denn nie … mehr?« Mehr Kinder, ein größeres Restaurant? Ein Auto, dessen Auspuff nicht andauernd abzufallen drohte? Einen Mann, der am Sonntag neben ihr in der Kirche saß? » Niemand sollte so hart arbeiten müssen wie du.«
    Sie lächelte ein wenig bekümmert. » Ich habe eine schöne Tochter und ein Restaurant, das vielen Menschen Freude macht. Harte Arbeit erscheint mir ein recht geringer Preis dafür zu sein.«
    Ich zupfte schuldbewusst und beschämt an einem heraushängenden Faden meines Pullovers und fühlte mich, als ob ich mit meiner Frage alles kleingeredet hätte, wofür sie sich im Laufe der Jahre abgerackert hatte. » Ich meine ja nur, dass auch du es verdient hast, glücklich zu sein.«
    Sie wandte sich ab, goss noch mehr Putzmittel in die schon makellose Spüle und schrubbte hektisch. » Ich bin zufrieden. Und wenn dein Vater nach Hause kommt, werde ich glücklich sein.«
    » Du hast so viel aufgegeben.«
    » Das ist gelegentlich einfach so«, sagte sie über die Schulter hinweg. » Manchmal muss man zwischen den Träumen, denen man nachgehangen hat, und dem Menschen, den man liebt, wählen, weil ohne ihn die Träume zu Asche werden. Die Menschen, die man liebt, sind wichtiger als alle Ideale. Immer.«
    Ich schnaubte. » Wenn das wahr wäre, säße Dad jetzt hier und nicht im Gefängnis.«
    » Oh Mo. Die Wahrheit ist immer komplizierter, als es einem lieb ist.«
    » Ich gehe nach oben. Schularbeiten.« Ich hob meine Tasche hoch, um meine Worte zu unterstreichen.
    Meine Mutter schluckte, als säße ihr ein Kloß im Hals, der nicht ganz nach unten rutschen wollte. » Ich komme gleich nach oben, um auf Wiedersehen zu sagen.«
    Mein Zimmer war tadellos sauber. Meine Mutter hatte hier bereits geputzt und zweifelsohne nach etwas – irgendetwas – Ausschau gehalten, das mein Verhalten in letzter Zeit hätte erklären können. Aber die einzigen Gegenstände, die ich aus meiner Zeit mit den Bögen noch hatte, waren die seltsam miteinander verschweißten Bundesringe.
    Ich warf Jennys Akten aufs Bett, lehnte mich an meine Kommode und starrte die beiden Papierstapel an.
    Vielleicht war das hier ein Fehler.
    Die Vordertür schlug zu. Durch mein Fenster sah ich, wie meine Mutter mit einer Thermoskanne und einem mit Folie abgedeckten Teller zu Colins Truck hinüberging. Wahrscheinlich gab sie ihm noch ein paar Anweisungen in letzter Minute, bevor sie aufbrach, so als ob er mein Babysitter wäre. Das war kein Wunder, denn tief im Herzen betrachtete sie mich immer noch als Kind.
    Colin ließ mich in dem Versuch, mich zu beschützen, absichtlich im Dunkeln, aber im Dunkeln lauerten die schrecklichsten Dinge. Ich hatte nicht vor, länger dortzubleiben. Ich kletterte auf mein Bett und hob seine Akte hoch.
    Die ersten paar Seiten waren Scans von handschriftlichen Berichten des Jugendamts von Denver, die einen Besuch bei der Familie Donnelly-Gaskill vor elf Jahren schilderten. Die Worte hoben sich wie Blutergüsse von den Seiten ab.
    Mehrfache Knochenbrüche, zahlreiche Fleischwunden, Verbrennungen durch Zigaretten.
    Alter elf, acht und sechs Jahre.
    Mutter weigert sich, Anzeige zu erstatten.
    Mädchen, sechs, legt Spielverhalten an den Tag, das mit wiederholtem sexuellem Missbrauch in Verbindung zu bringen ist.
    Empfehle Entziehung des Sorgerechts.
    Ich presste mir die Faust auf den Mund. Nun hatte ich eine Erklärung für die Narben auf Colins Rücken – die grausamste nur denkbare. Meine Augen füllten sich mit Tränen, und ich trauerte um diese Kinder, als ich die anderen Seiten durchblätterte. Es gab keine Folgenotiz, keinen offiziellen Bericht. Nichts, was gezeigt hätte, dass die Kinder – Colin und seine Geschwister – gerettet worden wären.
    Die nächsten paar Seiten waren ein Strafregisterauszug für einen Mann namens Raymond Gaskill, Colins Stiefvater. Eine Reihe von Diebstählen, von Einbrüchen über Autodiebstähle bis hin zu bewaffneten Raubüberfällen, daneben Anklagen wegen Körperverletzung – im Rahmen häuslicher Gewalt, aber auch in anderen Fällen. So gut wie jedes Mal waren die Anzeigen zurückgezogen oder die Klagen abgewiesen worden. Ein paar Gefängnisaufenthalte, keiner länger als neunzig Tage. Und dann, plötzlich, nichts mehr.
    Ich blätterte um. Ein Rettungssanitäterbericht. Aus einer Wohnung in Denver war ein Notruf gekommen, Schüsse waren gefallen. Ein Mann und eine Frau waren

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