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Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin

Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin

Titel: Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erika O'Rourke
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raufschicken?«
    » Ich bin in einer Minute unten.« Ich sammelte die Papiere ein, ließ sie auf meinen Schreibtisch fallen und streifte dann das nächstbeste saubere Kleid über, das so aussah, als ob es sich eignen könnte – dunkelgrüner Trikotstoff, an den Säumen und am Ausschnitt mit Spitzen besetzt, mit weit schwingendem Rock. Halb so schick wie das, was alle anderen tragen würden, aber das würde niemandem etwas ausmachen, da ich ohnehin die ganze Zeit über hinter einem Tisch sitzen würde. Ich zog ein sehr vernünftiges Paar schwarzer Schuhe mit flachem Absatz an, drehte mein Haar zu einem Knoten und rammte eine Klammer hinein, um es zusammenzuhalten.
    » Mo, komm schon!«, rief Lena. Ihr Gespräch mit Colin klang munter und neugierig. Es bereitete mir finstere Befriedigung, mir auszumalen, wie er versuchte, Lenas Fragen auszuweichen. Das Lächeln verschwand schlagartig, als ich mein verquollenes Spiegelbild erblickte. Auch noch so viel Make-up konnte meine zugeschwollenen, rot geränderten Augen nicht verbergen.
    Colin würde erraten, dass etwas nicht stimmte, sobald er mich sah. Ich wusste nicht, wie ich dieses Geheimnis für mich behalten sollte, das so groß war, dass es alles, was zwischen uns stand, überdeckte. Ich wusste nicht, wie ich ihn nach allem, was er durchgemacht hatte, ohne Mitleid ansehen sollte – und ohne Zorn darüber, dass er mir nichts davon erzählt hatte. Es war seine Vergangenheit, aber unsere Zukunft. Zumindest hatte ich das bisher gedacht. Jetzt kannte ich die Wahrheit – wir hatten nie eine Zukunft gehabt.
    Ich schnappte mir meine Handtasche, warf das Nötigste hinein und polterte die Treppe hinunter, um Lena zu begrüßen.
    Colin wartete im Wohnzimmer, eine Hand aufs Treppengeländer gelegt, und wirkte, als ob er gern vor Lenas wohlgemut hartnäckigen Fragen davongelaufen wäre. Er schaute auf und war offensichtlich erleichtert, dass ich ihm Lena abnahm.
    » Geht es dir gut?«, fragte er, und seine Erleichterung wich Besorgnis, als ich unbeholfen nach meiner Jacke griff. » Du siehst …«
    » Sie sieht toll aus«, sagte Lena, die meinen Blick aufgefangen hatte. Ich dachte, sie würde noch etwas sagen – sie neigte nicht dazu, sich selbst den Mund zu verbieten –, aber sie packte mich an der Hand und griff nach der Tür. » Wir hätten schon vor zehn Minuten losfahren sollen.«
    Ich kämpfte mich in meine Jacke und schüttelte Colin ab, als er mir zu helfen versuchte. » Fertig.«
    An der Tür hielt er mich am Arm fest. » Irgendetwas stimmt doch nicht.«
    » Das würdest du nicht verstehen«, sagte ich und riss mich los. Es war keine Lüge – wenn er nicht einsah, warum er es mir hätte erzählen sollen, würde er auch nicht verstehen, warum ich so aufgewühlt war. Und er würde bestimmt nicht verstehen, warum ich seine Akte überhaupt gelesen hatte.

Kapitel 27
    Lenas kleiner Chevrolet war kaum auf die Western Avenue eingebogen, als sie das bedrückende Schweigen durchbrach. » Dir geht es eindeutig nicht gut. Habt ihr beiden euch schon wieder gestritten?«
    » Nein.«
    Sie wartete darauf, dass ich mehr sagen würde, aber ich presste mir die eisigen Finger auf die Augen und versuchte, den Schaden zu beheben. Nach ein paar Minuten warf sie einen Blick in den Rückspiegel. » Er ist dahinten, weißt du?«
    » Ja.« Das war der Grund dafür, dass es keinen Zweck für mich hatte zu versuchen, Freundinnen zu finden. Ich konnte Lena nichts von dem erzählen, was ich herausgefunden hatte – nicht von Colin oder von meinem Onkel oder auch nur, warum Jenny Kowalski mir nachstellte.
    » Er wirkt wie ein netter Kerl«, sagte sie vorsichtig. » So, als ob du ihm wichtig bist.«
    » Er ist ein toller Kerl.«
    » Der dich unglücklich macht.«
    » Das ist nicht seine Schuld«, sagte ich.
    Sie runzelte die Stirn. » Bist du sicher? Denn wenn er dir wehtut, dann kann ich dir helfen. Ich kenne Leute, die dir helfen können.«
    Ich lachte ein einziges Mal, ein Laut, der einem Schluchzen allzu nahe kam. » Du glaubst, dass er … Colin schlägt mich nicht, Lena, das schwöre ich. Wenn überhaupt, dann ist er zu behutsam.«
    » Besser als das Gegenteil.«
    Ich atmete laut aus. » Können wir über etwas anderes reden? Bitte?«
    » Natürlich.« Lena plapperte weiter und hielt das Gespräch absichtlich oberflächlich. Ich nutzte den Rest der Autofahrt, um die Fassung zurückzugewinnen.
    Wir kamen in der Schule an, und Schwester Donna wartete schon auf uns. » Gleich hier«, sagte sie und

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