Der Weg in die Dunkelheit 3: Die Schöpferin (German Edition)
war aufgebraucht. Ich setzte mich an die Bar, ließ mir von Charlie eine Cola light einschenken und stupste die Maraschino-Kirschen an, mit denen er sie verziert hatte. Colin lehnte an der Theke und musterte trotz seiner lässigen Körperhaltung jedes einzelne Gesicht genau.
» Siehst du irgendjemanden?«, fragte ich.
» Niemanden, der nicht hier sein sollte«, antwortete er und verschränkte die Finger mit meinen. » Du siehst völlig fertig aus.«
» Ich dachte, er würde netter sein«, sagte ich gedankenlos.
Colins Mund zuckte. » Das Gleiche hat er wahrscheinlich von dir gedacht. Der Mann hat zwölf Jahre im Gefängnis gesessen, Mo. Da bleibt man nicht lange nett.«
» Er ist für Billy ins Gefängnis gegangen und hat noch sieben Jahre zusätzlich zu seiner ursprünglichen Strafe in Kauf genommen, um für unsere Sicherheit zu sorgen. Das ist doch nett, nicht wahr?«
» Nicht nett. Verzweifelt. Er hätte alles getan, was nötig war, um seine Familie zu beschützen.« Er trank das Bier aus, an dem er schon den ganzen Abend genippt hatte, und stellte das Glas krachend wieder auf der Bar ab. » Verwechsle ›nett‹ nicht mit ›gut‹.«
» Glaubst du, dass er ein Guter ist?« Colin sah meine Familie viel klarer, als ich es selbst tat. Wenn er fand, dass mein Vater eine zweite Chance verdient hatte, konnte ich vielleicht ein bisschen nachgeben.
» Ich glaube, dass er auf dem Weg hierher ist.«
Die Menge hatte sich gelichtet, aber mein Vater ließ sich Zeit damit, den Raum zu durchqueren, obwohl seine Aufmerksamkeit unverwandt auf uns gerichtet war. Colin setzte dazu an, sich zurückzuziehen, aber ich hielt ihn fest.
» Willst du mich ihm nicht vorstellen, Mo?«, fragte mein Vater und fuhr dann, ohne meine Antwort abzuwarten, fort: » Sie sind Colin Donnelly.«
» Es freut mich, Sie kennenzulernen, Sir.«
» Annie hat mir viel über Sie erzählt. Sie hat gesagt, Sie hätten sich gut darum gekümmert, unsere Tochter aus Schwierigkeiten herauszuhalten.«
Ich ärgerte mich über die Formulierung, aber Colins Ton war kühl: » Ich tue mein Bestes. Sie kennen ja Mo.«
Mein Vater biss die Zähne zusammen, als ihm bewusst wurde, was Colin damit andeutete– er kannte mich überhaupt nicht. » Ich habe eine gute Nachricht: Jetzt, da ich wieder hier bin, wird sich die Lage etwas beruhigen. Ich glaube, wir werden Ihre Hilfe nicht mehr sehr lange brauchen. Annie sagt, dass Sie Tischler sind?«
Er schickte Colin in die Wüste? » Aber…«, setzte ich zu einem Einwand an, doch Colin strich mir beruhigend über die Hand.
» Bei allem Respekt, Sir: Ich arbeite für Billy.« Jetzt hatten seine Worte einen schneidenden Unterton.
Mein Vater wirkte enttäuscht. » Ich habe mir schon gedacht, dass Sie das sagen würden.«
Meine Mutter trat mit sorgenvoll gerunzelter Stirn zu uns, und mein Vater legte ihr einen Arm um die Taille. Sie lebte sofort auf. » Es ist doch eine schöne Party, findest du nicht? Alle freuen sich so, dich zu sehen.«
Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. » Das hast du toll gemacht. Damit hätte ich nie gerechnet.«
Anscheinend war ich nicht das einzige verlogene Familienmitglied. Ich hüstelte, und er sah mich stirnrunzelnd an. Verdirb ihr nicht den Spaß, funkte sein Blick.
» Kann ich bitte gehen?«, fragte ich. » Ich bin völlig erledigt.«
» Süße, es ist doch Dads Party!«
» Ja, mit euren Freunden. Nicht mit meinen.« Als ob ich irgendeinen Freund zu dieser Veranstaltung eingeladen hätte! » Sieh mal, ich habe beim Aufbauen geholfen, und ich habe ihn in aller Form willkommen geheißen. Warum muss ich jetzt noch bleiben?«
» Ach, Annie, lass sie doch gehen.« Billy kam mit einem Whiskeyglas in der Hand auf uns zu und spielte perfekt die Rolle des fürsorglichen Onkels. » Mit einem Haufen alter Leute kann sie doch gar keinen Spaß haben! Außerdem haben wir noch etwas zu besprechen.«
Sie kniff die Lippen zusammen und warf dann einen Blick zu meinem Vater hinüber, der mit den Schultern zuckte. » Schon gut. Wir haben ja später noch reichlich Zeit zum Reden.«
» Ja, bestimmt.« Sie umarmte mich rasch. » Wir kommen bald nach Hause.«
Während Colin schon mal den Truck anließ, ging ich schnell ins Hinterzimmer und betätigte die Stechuhr. Die plötzliche Stille war wohltuend, und ich nahm mir eine Minute Zeit, zur Ruhe zu kommen. Während mir von der Begrüßung meines Vaters noch der Kopf geschwirrt hatte, waren die anderen Gäste auf ihn zugestürmt, um ihn willkommen
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