Der Weg in die Dunkelheit 3: Die Schöpferin (German Edition)
fallen und versuchte, die Kopfschmerzen zu verdrängen, die sich hinter meinen Augen zusammenbrauten.
» Es ist ein Zeichen des Respekts. Eine Nachfolge ist ein geheiligter Vorgang, und wenn du unter Beweis stellst, dass du dir die Mühe gemacht hast, unsere Sprache zu lernen, wird das die Bögen sehr in dem Eindruck bestärken, dass du alles ernst nimmst. Dass du dich unserer Welt verpflichtet fühlst.« Sie zerrte mich am Arm wieder auf die Beine und deutete auf die Symbole, die sie an die gegenüberliegende Wand geschrieben hatte. » Versuch es noch einmal. Von Anfang an.«
Sie sprach in der fließenden silbrigen Sprache der Bögen, und ich versuchte, es ihr nachzutun. Alle paar Wörter unterbrach sie mich, holte so tief Luft, dass ihre Nasenlöcher sich blähten, und korrigierte mich. Constance konnte gut folgen; obwohl sie erst seit wenigen Monaten bei Niobe lernte, hatte sie sich die Sprache rasch angeeignet. Meine Zunge fühlte sich steif an, fast gefroren, als hätte ich einen halben Liter Eis auf einmal gegessen.
» Erklär mir noch einmal den Ablauf«, sagte ich in der Hoffnung auf eine Pause. Constance gähnte und schlenderte davon.
» In der ersten Sitzung der Zeremonie können Mitglieder des Hauses ihre Kandidatur erklären– sie schwören, sich der Prüfung zu unterziehen und dem Haus zu dienen, wenn sie erwählt werden. Die zweite Sitzung findet fünf Tage später statt. Es ist eine öffentliche Prüfung der Kandidaten, in der sie versuchen, unter Beweis zu stellen, dass sie würdig sind. Wenn die Prüfung beendet ist, erhebt das Haus seinen neuen Anführer.«
» Es ist also eine Wahl?«
» In gewisser Hinsicht. Die Prüfung, der jeder Kandidat sich unterziehen muss, ist das Wirken eines Zaubers vor den Mitgliedern des Hauses. Die Ergebnisse dienen als Hinweis darauf, wer gewählt werden sollte.«
» Das klingt, als ob die Magie ihnen sagt, für wen sie stimmen sollen.«
» Natürlich nicht. Die Magie ist bloß ein Indikator, wie in einem deiner naturwissenschaftlichen Experimente, wenn eine Chemikalie in Anwesenheit einer anderen die Farbe wechselt. Die Magie reagiert unterschiedlich auf diejenigen, die in der Lage sind, die Bürde dieser Stellung auf sich zu nehmen, und erlaubt es den Mitgliedern des Hauses so, die Eignung der einzelnen Personen auszuloten. Eine Nachfolge durch eine solche Zeremonie ist recht selten. Häufiger wird sie ererbt, wie in Lucs Fall.«
» Luc hat gesagt, dass Pascal in einer Zeremonie gewählt worden ist. Er wollte eigentlich gar nicht zu den Quartoren gehören.«
» So habe ich es auch verstanden. Ich war damals noch zu klein, als dass ich mich daran erinnern könnte.«
» Warum hätte er es überhaupt versuchen sollen, wenn er den Posten gar nicht wollte? Warum das Risiko eingehen?«
» Aus Pflichtgefühl, nehme ich an. Wahrscheinlich hat auch Neugier eine Rolle gespielt– Pascal lässt sich nie eine Chance entgehen, die Magie besser zu verstehen. Und dann, als er erst einmal gewählt war… Das ist eine Ehre, die man einfach nicht ausschlagen kann. Und jetzt«, sagte sie, » probier den Zauberspruch noch einmal aus.«
Mitten in der nächsten stockenden, gebrochenen Beschwörung hob sie die Hand. » Genug. Das ist so, als würde man von einem Kleinkind verlangen, Shakespeare zu rezitieren. Widmen wir uns lieber den Kampftechniken. Du kannst mit Constance üben.«
Noch ein Gebiet, auf dem Constance mir überlegen war. Niobe ließ sie in unseren Kämpfen Magie einsetzen, wenn auch abgeschwächt, um zu verhindern, dass ich ernsthaft verletzt wurde. Ich hatte darauf hingewiesen, dass es kein fairer Kampf war, worauf sie nur erwidert hatte, dass jeder Kampf gegen Anton zwölfmal so unfair sein würde. Ich konnte allenfalls hoffen, mich so lange am Leben zu halten, bis Hilfe kam.
» Anton fügt einem gern Schmerzen zu«, ergänzte sie. » Wenn er einen Zauber quer durch den Raum wirkt, stehen deine Chancen, vorsichtig ausgedrückt, sehr schlecht.«
» Tröstlich.«
» Das ist es wirklich. Anton greift selten aus größerer Entfernung an. Er will spüren, wie es geschieht, und das erfordert Nähe. Wenn du ihn nahe genug herankommen lässt, kannst du dich wehren.«
» Wenn er mich nicht vorher tötet.« Mir schnürte sich die Kehle zu, als ich mich an den Druck seiner Finger erinnerte.
» Das haben wir doch schon besprochen. Er braucht dich lebend. Und er unterschätzt dich ständig.«
» Das tun alle«, murmelte ich.
» Dann nutze es aus«, sagte sie
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