Der Weg in Die Schatten
nicht verpassen.«
Cortez grunzt. Er schüttelt den Kopf wie ein Idiot. »Tut mir leid … Ich … ich habe eine andere Verabredung. Sehr wichtig.«
»Du hörst nicht richtig zu, Freundchen.«
Sonny schlägt dem Mann erneut in den Magen. Der Hieb entlockt ihm einen weiteren Schrei. Uza dreht Cortez den Arm auf den Rücken und zwingt ihn auf die Knie. Sonny reißt ihm eine Handvoll der gepflegten Haare aus und scheint ihm das Knie ins Gesicht rammen zu wollen, reißt dann aber lediglich seinen Kopf nach hinten, so daß die Kehle entblößt wird.
»Mr. Yamamoto mag es nicht, wenn man ihn betrügt.«
Cortez hebt die Hand und keucht: »Schon gut. In Ordnung.«
Die Muskelmänner zerren ihr Opfer an den Armen hoch und verfrachten es in die Limousine, die sofort in Richtung Ausfahrt losrollt. Sonny und Uza bleiben zurück. Sie klopfen ihre Kleidung ab, korrigieren den Sitz ihrer Jacken und witzeln darüber, wie schnell sich dieser Cortez ihrem Willen gebeugt hat.
Tikki schlüpft aus ihren Kleidern.
Die Verwandlung dauert nur ein paar Augenblicke. Ihr Wille erzwingt den Wandel, und ihr Körper streckt sich, ihre Muskulatur schwillt an, rotes und schwarzes Fell wächst auf ihren Armen, ihrem Körper, ihrem Gesicht, und die Hände verbreitern sich und werden zu Tatzen, zu Pranken. Krallen wachsen, die Ohren werden spitz, und aus ihrem Rückgrat wächst der Schwanz. Ihre Atmung wird lauter, und ihrer Kehle entringt sich ein leises, bedrohliches Knurren.
Die beiden Muskelmänner erstarren und sehen sich um. »Was, zum Teufel, war das?« murmelt Sonny.
»Klang wie ein Löwe.«
Aber da ist es schon zu spät.
Sie rast durch die Autoreihen, setzt über eine Absperrung und springt. Uza dreht sich um und sieht ihr direkt ins Gesicht, runzelt aber lediglich die Stirn, als könne er den Anblick nicht begreifen. Ihre Pranken landen auf seiner Schulter und werfen ihn flach auf den Boden. Es klingt, als würde eine überreife Melone zerplatzen.
Blut und Gehirnmasse entfalten einen marmorierten Fächer auf dem dreckigen Beton. Sie fängt sich mit den Hinterpfoten und wirbelt zu Sonny herum, auf dessen Handrücken jetzt zwei Klingen funkeln, aber er ist zu langsam. Ihre rechte Pranke schießt blitzschnell vor und hinterläßt dort, wo vor einem Augenblick noch Sonnys Gesicht war, eine zerfetzte blutige Ruine. Sie schlägt noch einmal zu und trennt Sonnys Kopf vom Körper. Es ist alles viel zu leicht.
Sie schleift die Überreste in eine dunkle Ecke, um sie zu verzehren.
Tikki trifft Castillanos Freunde in den Hintergassen von Riverton, nicht weit vom internationalen Flughafen Sea‐Tac entfernt. Es handelt sich um die speziellen Freunde des Schiebers ‐ zwei Männer und eine Frau. Alle drei sind Gestaltwandler. Das Männchen und das Weibchen in Menschengestalt tragen schwarzes Leder und weisen die typischen Merkmale des wölfischen Typus auf: dunkles Haar, buschige Augenbrauen, behaarte Handrücken. Das Männchen in Wolfsgestalt hat eine Schulterhöhe von annähernd einem Meter, und sein Fell ist von einem derart dunklen Grau, daß es fast völlig mit den Schatten verschmilzt.
Tikki biegt um eine Ecke, um sich den dreien direkt gegenüberzusehen. Niemand schleicht sich an diese Wölfe an. Als Tikki näherkommt, treten die beiden Männchen einen Schritt vor, um sich vor das Weibchen zu stellen. Das ist keine Überraschung. Wölfische Gestaltwandler haben ein ausgeprägtes Schutzbedürfnis in bezug auf ihre Weibchen, wenn sie sich mit mächtigen Raubtieren konfrontiert sehen. Das Vortreten der Männchen ist keine bedrohliche Geste. Es ist mehr eine instinktive Vorsichtsmaßnahme. Tikki achtet darauf, ihre Hände von den Taschen fernzuhalten. »Ich bin hier, um mit diesem Hogan zu sprechen.«
Das Männchen in Menschengestalt nickt. »Uns ist Bescheid gegeben worden.«
»Er ist da drin«, sagt das Weibchen, auf die Rückseite eines nahen Gebäudes zeigend. »Zimmer 302. Er ist allein.«
Das Männchen in Wolfsgestalt knurrt leise.
»Richtig«, sagt das andere Männchen. »Und er ist verletzt.«
Allein, in die Enge getrieben und verwundet ‐ drei Dinge, die man nicht vergessen sollte, vermutete Tikki. Wenn dieser Hogan ihrer Rasse angehörte, würde sie es sich vielleicht noch einmal überlegen, ihn zu besuchen. »Wie lange ist er schon da drin?«
»Seit gestern um Mitternacht«, erwidert das Männchen in Menschengestalt. »Wir glauben, er ist auf der Flucht. Er hat Angst. Es ist schwer zu beschreiben. Wir glauben, er
Weitere Kostenlose Bücher