Der Weg in Die Schatten
boshaft, aber dennoch charmant. »Mr.
Johnson wird sich dumm und dämlich zahlen. Willst du einen Burger mit uns essen?«
»Nein danke, Beth.« Emily lächelte immer noch, den Blick starr ins Nichts gerichtet. »Ich bin nur gekommen, um nachzusehen, wie es Grimley geht. Er sieht in etwa so gut aus, wie er es verdient hat.« Miss Elizabeth lachte. Emily schüttelte den Kopf wie ein Hund, der ein paar unerwünschte Wassertropfen loswerden will. »Ich sehe euch Deckheads dann später. Muß jetzt wieder los.«
Bevor ich ein Wort sagen konnte, um sie zurückzuhalten, war sie verschwunden.
In den nächsten drei Tagen gelang es mir nicht, Mr. Johnson zu erreichen, also tat ich etwas Dummes. Ich knackte die Datei. Drei Tage ‐ so lange brauchte ich, drei Tage und drei Nächte. Ich glaube nicht, daß ich insgesamt mehr als vier Stunden schlief. Es war eine der schwierigsten, frustrierendsten und schönsten Erfahrungen meines Lebens. Mycrofts Programmierung ist wunderbar verziert und komplex, die Datenstränge sind aneinandergereiht wie die Noten in einer Fuge von Bach. Als sie sich mir schließlich öffneten wie die neuen Flügel eines Schmetterlings, weinte ich vor Freude und Erleichterung. Was sie enthüllten, war ‐ verblüffend.
Jetzt war ich unterwegs, um mich mit Mr. Johnson zu treffen.
Die Adresse gehörte diesmal nicht zu einer Bar, sondern zu einem sündhaft teuren Apartmenthaus in einem der wenigen ›netten‹ Viertel im Plex. Man konnte sogar die Schmutzgrenze erkennen, die die sauberen Straßen des wohlhabenden Bezirks von den dreckigen meines eigenen trennte. Ich schritt zügig aus und stellte den Kragen meines Umhangs hoch, um mich gegen den schneidenden Wind zu schützen. Ich unterhielt mich, indem ich nach Ratten Ausschau hielt. Offensichtlich schaffen es selbst die Reichen nicht, die kleinen Nager von ihren Straßen fernzuhalten, aber ich muß zugeben, daß die Ratten viel sauberer und gesünder aussahen als diejenigen in meinem Viertel. (Was höchstwahrscheinlich auf bessere Ernährung zurückzuführen war.) Ich lachte.
Hinter mir lachte ebenfalls jemand.
Es war kaum hörbar, ein leises Kichern, aber ich hörte es, kein Zweifel, »Wer ist da?« fragte ich mit einem unangenehmen Flattern im Magen. Ich suchte die Straße hinter mir ab, aber ich sah niemanden. Schließlich drehte ich mich wieder um und ging weiter. Als ich die angegebene Adresse erreichte, war ich fast davon überzeugt, daß ich mir alles nur eingebildet hatte.
Mr. Johnsons Apartment bestand aus zwei Räumen und war viel größer als meines. Es war völlig unpersönlich eingerichtet und offensichtlich nur für geschäftliche Zwecke gemietet worden, denn niemand hätte darin wohnen können. Seine blendend reinen weißen und cremefarbenen Tapeten, Teppiche und Mobilar waren brandneu, und die abstrakten Drucke, die da und dort hingen, sahen wie Sodacracker aus.
Mit seinem scheußlichen künstlichen Grinsen paßte der Pinkel genau hinein. Es freute ihn zu hören, daß er Nadia Mirins Personalakte schon Tage vor dem ausgemachten
Abgabetermin erhalten konnte, aber es schien ihn absolut nicht zu überraschen, daß sie eine Attrappe war. Ich log und erzählte ihm, daß ich sie noch knacken mußte. Er akzeptierte den Betrag, den ich dafür zusätzlich verlangte, ohne mit der Wimper zu zucken. Wiederum mußte ich meine nicht unbeträchtliche Überraschung verbergen. Ich hatte die Summe lächerlich hoch angesetzt in der Hoffnung, nach der üblichen Feilscherei dort zu landen, wo ich eigentlich hin wollte.
Ziemlich zufrieden mit mir, begann ich an teuren echten Pistazienkernen zu knabbern, die in einer kleinen Schale auf dem weißen Kaffeetischchen standen. Als ich sie mit meinen implantierten Eckzähnen knackte, schnitt Mr. Johnson eine derart entsetzte Miene, daß ich mich noch besser fühlte.
Nachdem er mir einen beträchtlichen Vorschuß überreicht hatte, schob er mich viel zu schnell in Richtung Tür, blieb noch in der Tür stehen und plauderte über die Sodacrackerbilder, bis er zu schwitzen begann. Ich wartete, bis seine Augen aus den Höhlen zu quellen drohten, dann verabschiedete ich mich.
Auf dem langen Nachhauseweg dachte ich eingehend nach.
Ich erinnerte mich an Nadia Mirins Porträt, an ihre bezaubernden grünen Augen und den lieblichen Schwung ihrer Lippen. Ich fragte mich, ob die erstaunliche Information in ihrer Personalakte stimmte. Ich hoffte, ich half nicht jemandem dabei, sie zu töten.
Ich dachte auch
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