Der Weg in Die Schatten
Catalano-625‐VS‐Überwachungsdrohne, in ihrem urbanen Tarnmuster gut im Schatten des Carnation‐Hauses verborgen, auf die cybernetischen Befehle, die sie von Allyce erhielt. Der kleine Infrarotlaser darauf schwenkte herum, um Cortez’ Wasserglas wieder zu erfassen, als es abgesetzt wurde.
Sekundenbruchteile, nachdem Cortez die Hand davon weggenommen hatte, konnte der Laser bereits wieder die feinen Vibrationen messen, die die Stimmen von Cortez und dem anderen Mann darin erzeugten. Ein zweiter Laser war auf das Schutzgeländer in ihrer Nähe gerichtet, maß die vom Wind erzeugten Schwingungsfrequenzen darin und filterte sie aus dem Hauptimpuls heraus. Die Qualität der Übermittlung war gut genug, um von der Ausrüstung in unserem Hotelzimmer empfangen zu werden. Eine hochauflösende Videokamera zeichnete das Gespräch intern auf, sandte jedoch ein Bild mit niedriger Auflösung herüber, das sofort betrachtet werden konnte.
»Wir werden nichts hören, bis sich Wasser und Eis im Glas wieder gesetzt haben«, sagte Allyce. »Wir müssen eben später von der HD‐Aufzeichnung die Lippenbewegungen ablesen.«
Ich nickte, aber ein Geräusch auf dem Flur draußen hatte meine Aufmerksamkeit erregt. Ich ließ die Hand zur Ingram-Smartgun am Oberschenkel sinken und spürte den kühlen elektronischen Impuls, als das Handflächen‐Pad den Kontakt herstellte. Der Zielpunkt richtete sich auf den Mittelpunkt der Tür, aber in diesem Moment zirpte der kleine Beeper auf dem Tisch neben mir zweimal leise, und ich entspannte mich etwas.
Die Tür ging auf, und Raphael und Janey traten ein, das Messergirl vorneweg, und sie postierte ihr lächelndes Gesicht genau an der Stelle, wo, wie sie wußte, mein Zielpunkt ruhte.
Der Elf ging ein paar Schritte hinter ihr. Als Janey mir vor ein paar Monaten gesagt hatte, daß Rafe ein Elf war, hatte mich das überrascht. Körperlich war alles in Ordnung mit ihm, aber ihm fehlten die unverwechselbaren Knorpelspitzen an den Ohren. Janey wußte lediglich, daß die Ohren schon seit Rafes Kindheitstagen in den Barrens so aussahen. Ich habe ihn nie danach gefragt.
»Heda, Boy and Girl, ich hoffe, hier flutscht alles richtig«, sagte Janey und ließ sich auf das Bett plumpsen, sehr zur Verwirrung von Allyce.
»Nicht die Spur«, erwiderte ich. »Cortez hat zwar eine Verbalbreitseite auf einen Typ abgefeuert, aber nichts davon wäre eine Wiederholung wert.« Ich kippte den Flatscreen in ihre Richtung. Wir hatten noch immer keinen Ton.
»Irgendeine Idee, wer das ist?« fragte Allyce.
»Nee«, sagte Janey.
»Wunderbar! Irgendwas bei Cortez gefunden?«
»Jap. Eine komische kleine Brosche und viel Feuerkraft. Wir haben die Nadel digitalisiert, und Rafe wird das Bild zur Überprüfung möglichst schnell an Jack weiterleiten.«
Raphael war in das Zimmer nebenan gegangen, und ich hörte, wie er dort das Sony‐Terminal bediente. Jede Wette, daß er das Digi herablud und an Jack sandte. Ich wollte schon reingehen und ihn fragen, ob er irgendeine Idee hatte, wie lange wir die Cortez‐Überwachung noch fortsetzen mußten, als die Hölle losbrach.
Plötzlich explodierte das Videobild von Cortez und seinem Gast und zeigte nur noch Flimmern. Allyce ächzte laut und verdrehte die Augen nach oben, und ihr Körper erstarrte.
Ohne große Überlegung packte Janey die Riggerin, als diese zu kotzen begann, und hielt ihren Kopf über die Bettkante, damit nichts in die Lunge geriet. Alle Signale von der Drohne waren unterbrochen, und die Bildschirme zeigten nur noch die Anzeige für ›keine Übertragung‹.
Als ich wieder zum Bett blickte, hatte Rafe Allyce ausgestöpselt und drückte ihr die Handflächen rechts und links an den Kopf. Die Macht war mit ihm, und ich spürte sie richtig, als er zu murmeln begann und dabei mit den Händen gegenläufige Kreisbewegungen ausführte. Während Janey sie weiterhin festhielt, entspannte sich Allyce langsam. Ihre Iris wurde wieder sichtbar. Janey blickte zwischen mir und Rafe hin und her, und ihr Gesicht zeigte deutlich Besorgnis. Ich kam mir dumm vor. Ich hatte nichts getan, um zu helfen.
Rafe ließ Allyce los, trat zurück und blinzelte heftig. Janey stützte die Riggerin allein. »Liam …« Er schnappte nach Luft.
»Was ist passiert?«
Während des ganzen Zwischenfalls hatte ich mich nicht gerührt. »Wir haben die Drohne verloren, Rafe. Ich weiß es wirklich nicht!«
Er musterte mich, nickte dann und kniete neben dem Bett nieder. »Allyce«, sagte er
Weitere Kostenlose Bücher