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Der Weg in Die Schatten

Titel: Der Weg in Die Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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überrascht wie Kylar. Sie war eine alte Frau, die ein Nachthemd trug, mit einem Schal um die Schultern. »Nun, guten Morgen, Mylord. Was gebt Ihr doch für einen Anblick ab. Ich konnte nicht schlafen, denn aus irgendeinem Grund dachte ich ständig, uns sei das Mehl ausgegangen, obwohl ich erst gestern Abend den Vorrat überprüft habe. Ich bin gerade
an der Tür vorbeigekommen, um nachzusehen, als Ihr geklopft habt - oh, bei den zwölf Nippeln der Arixula, ich plappere wie ein dummes altes Weib.«
    Kylar öffnete den Mund, aber bevor er etwas sagen konnte, ging der Redeschwall der ehemaligen Hure weiter.
    »›Zeit für einen schnellen Schlag auf den Kopf und einen Stoß in den Fluss, Herrin‹, sage ich zu ihr, und sie lacht einfach nur über mich. Ich wünschte, ich wäre jung, und wenn auch nur deshalb, damit ich die Art Blick auf Eurem Gesicht sehen könnte, die mir Männer früher zugeworfen haben. Ja, früher haben auch wir alte Vetteln die Aufmerksamkeit der Männer auf uns gezogen. Sie haben uns angestarrt. Ihr wärt direkt gegen eine Mauer gelaufen, weil Ihr den Blick nicht hättet abwenden können. Es war mein Anblick in meinen Nachtgewändern - natürlich habe ich damals keine Altdamenlumpen wie diese getragen, aber wenn ich die Art von Sachen trüge, die ich früher gewohnt war, fürchte ich, würde ich die Kinder verschrecken. Deshalb -«
    »Ist Momma K wach?«
    »Was? Oh, tatsächlich denke ich, sie ist es. Sie hat nicht gut geschlafen, das arme Mädchen. Vielleicht wird ein Besuch ihr guttun. Obwohl ich denke, es war ein Besuch von diesem Durzo, der sie so aufgeregt hat. Es ist hart in ihrem Alter, einer Zeit, in der sie sich von dem, was sie einmal war, zu dem entwickelt, was ich jetzt bin. Beinahe fünfzig Jahre ist sie alt. Das erinnert mich daran -«
    Kylar schob sich an ihr vorbei und stieg die Treppe hinauf. Er war sich nicht einmal sicher, ob die alte Frau es bemerkte.
    Er klopfte an und wartete. Keine Antwort. Aber durch den Ritz unter der Tür fiel ein dünner Lichtstrahl, daher öffnete er sie.

    Momma K saß mit dem Rücken zu ihm. Zwei Kerzen, die beinahe zu Stummeln herabgebrannt waren, stellten die einzige Lichtquelle im Raum dar. Sie rührte sich kaum, als Kylar eintrat. Schließlich drehte sie sich langsam zu ihm um. Ihre Augen waren geschwollen und rot, als hätte sie die ganze Nacht geweint. Geweint? Momma K?
    »Momma K? Momma K, Ihr seht schrecklich aus.«
    »Du hast schon immer genau gewusst, was du zu einer Dame sagen musst.«
    Kylar trat in den Raum und schloss die Tür. Das war der Moment, in dem ihm die Spiegel auffielen. Momma Ks Nachttischspiegel, vor dem sie sich schminkte, ihr Handspiegel, selbst ihr bodenlanger Spiegel - sie alle waren zerschmettert. Die Splitter auf dem Boden blinkten im Kerzenlicht.
    »Momma K? Was geht hier vor?«
    »Nenn mich nicht so. Nenn mich nie wieder so.«
    »Was geht hier vor?«
    »Lügen, Kylar«, sagte sie und blickte auf ihren Schoß hinab, das Gesicht halb verborgen in den Schatten. »Wunderschöne Lügen. Lügen, die ich so lange getragen habe, dass ich mich nicht mehr daran erinnere, was darunter ist.«
    Sie drehte sich um. In einer Linie entlang der Mitte ihres Gesichts hatte sie alle Schminke abgewischt. Die linke Hälfte ihres Gesichts war zum ersten Mal, seit Kylar sie kennengelernt hatte, frei von deckender Creme. Es ließ sie alt und ausgezehrt aussehen. Feine Runzeln tanzten über die einst zarten Flächen von Gwinvere Kirenas Gesicht. Dunkle Ringe unter ihren Augen verliehen ihr eine geisterhafte Verletzbarkeit. Die Wirkung des Ganzen - eine Gesichtshälfte perfekt präsentiert und die andere nackt - war lächerlich, hässlich, beinahe komisch.
    Kylar verbarg sein Erschrecken zu langsam - nicht dass er
jemals viel hätte vor ihr verstecken können, aber Momma K schien es zufrieden zu sein, verletzt zu werden.
    »Ich nehme an, dass du nicht hier bist, nur um diese billige Attraktion anzustarren. Was willst du also, Kylar?«
    »Ihr seid keine billige -«
    »Beantworte die Frage. Ich weiß, wie ein Mann mit einer Mission aussieht. Du bist hier, um mich um Hilfe zu bitten. Was brauchst du?«
    »Momma K, verdammt, hört auf -«
    »Nein, du sollst verdammt sein!« Momma Ks Stimme knallte wie eine Peitsche. Dann wurde der Ausdruck in ihren so wenig zusammenpassenden Augen weicher, und sie blickte an Kylar vorbei. »Es ist zu spät. Ich habe mich für dies hier entschieden. Verdammt soll er sein, aber er hatte recht. Ich habe dieses Leben

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