Der Weg in Die Schatten
Spalts hinabschaute, verstand er, warum die Menschen dies als ein Wunder bezeichneten. Die Männer, die hier arbeiteten, spannten nicht nur die Kraft der heißen Luft ein, die aus der Erde selbst blies, sie verhinderten auch, dass der Plith sich in die Erde ergoss.
Wenn das geschah, würde der Fluss zu kochen anfangen; die Fische würden sterben; die Fischer würden nichts mehr fangen; und Cenaria würde seine bedeutendste Nahrungsquelle verlieren.
Selbst jetzt und ohne etwas von dem Chaos zu ahnen, das nur eine viertel Meile entfernt herrschte, arbeiteten Männer hier: Sie bedienten Seile, warteten Flaschenzüge, fetteten Zahnräder und ersetzten alte Metallplatten durch neue.
Kylar überquerte einen langen Laufsteg, folgte einigen Biegungen und fand sich an einer Kreuzung wieder, wo er zu einer unterirdisch gelegenen Tür oder zu einer Wartungstür am Auslass des Kamins an der Nordseite gehen konnte - wo Roth sein würde.
Er ging hinab. Die Tür befand sich neben einer weiteren Doppeltüre, die benutzt wurde, um große Gerätschaften hereinzubringen. Kylar schob sie einen Spaltbreit auf.
Eine junge Hexerin stand draußen, das Haar zurückgekämmt und die von Vir gezeichneten Arme vor der Brust verschränkt. Sie blickte zu einer langen steinernen Rampe auf. Irgendjemand sprach mit ihr, aber Kylar konnte die andere Person nicht sehen. Hinter ihr standen ein Dutzend andere, die ähnlich gekleidet waren.
Kylar schob die Tür zu. Er kehrte zu der anderen Abzweigung des Laufstegs zurück und öffnete die in den waagrecht verlaufenden Teil des Schlots eingelassene Tür.
Der Schlot dahinter kam ihm wie ein riesiger Dampftunnel vor. Er war fünfzehn Schritt breit, verengte sich aber vor dem letzten Gebläse auf einen Durchmesser von nur vier Schritt. Die Metallplatten des Bodens waren so weit verstärkt, dass die Arbeiter darauf stehen konnten, wenn sie entweder an dem riesigen Gebläse arbeiteten, das sich unmittelbar vor der Biegung des Tunnels senkrecht hinab befand, oder an dem viel kleineren, das die heiße Luft hinaus in die Nacht beförderte. Der Ventilator des nördlichen Gebläses drehte sich so langsam, dass Kylar Roth dahinter hätte sehen müssen.
Er trat vorsichtig in den Tunnel und prüfte den Boden, um festzustellen, ob er knarren würde, wenn er darauf trat. Er knarrte nicht. Doch noch bevor Kylar die Tür hinter sich schloss, befiel ihn eine vage Beklommenheit.
Von seinem weiten Weg durch den metallenen Schlot abgekühlt, strömte der schwefelhaltige Rauch langsam den Tunnel hinaus in die Nachtluft. Schwerer Rauch erfüllte das untere Drittel des Tunnels und kräuselte sich wabernd. Das einzige Licht kam von dem Mond draußen, wurde jedoch durch den sich drehenden Ventilator abgeschwächt und zerhackt. Umgeben von dichtem Rauch und tanzenden Schatten konnte Kylar nicht besser sehen als jeder andere Mensch.
Es ist jemand hier.
59
Durzos Herz war gerade aus diesem gottverdammten Fenster gesprungen. Er ging hinüber und schaute zu, bis er Kylar aus dem Fluss auftauchen sah.
Erstaunlich. In all meinen Jahren habe ich niemals etwas so Törichtes versucht, und er tut es an seinem ersten Tag - und es funktioniert. Kylar kletterte ans Ufer und ging in nördlicher Richtung davon. Durzo wusste, wo er hinwollte. Der halsstarrige Narr. Er hatte immer diesen Zug gehabt, von der Zeit an, da er sich geweigert hatte zu akzeptieren, dass er bei Rattes Ermordung gescheitert war, und anschließend losgezogen war, um den Mistkerl während der nächsten drei Stunden zu töten.
Kylar tat, was er für richtig hielt, und zur Hölle mit den Konsequenzen, zur Hölle mit der Frage, was andere dachten, selbst Durzo. Er erinnerte Durzo an Jorsin Alkestes. Kylar hatte sich dafür entschieden, Durzo gegenüber loyal zu sein, hatte an dieser Loyalität festgehalten trotz allem, was Durzo getan hatte. Er
hatte Vertrauen in Durzo Blint gesetzt, so wie Jorsin Vertrauen in ihn gesetzt hatte. Kylar war nur ein verdammtes Kind, aber er hatte sein Vertrauen auch in einen viel schlimmeren Mann als Acaelus Thorne gesetzt.
Der Schmerz verschonte keine einzige der Fasern, die Durzo Blints Leben ausmachten. Er hatte im Laufe seiner Jahre Tausende Arten von Betrug begangen, daher konnte er jeden, der während seiner Täuschungen an ihn geglaubt hatte, abschreiben, aber Jorsin hatte ihn gekannt. Kylar hatte ihn gekannt. Nicht zum ersten Mal in sieben Jahrhunderten schmerzte seine Existenz. Die ganze Welt war Salz, und Durzo Blint war
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