Der Weg in Die Schatten
magischen Gabe den nächsten schon aus dem Köcher.
Der riesige Hochländer fiel als Erster, nachdem ein Pfeil ihn zwischen die Augen getroffen hatte. Dann kamen die Meister, alle, einer nach dem anderen, dann die Offiziere, dann ein Keil von Hochländern direkt vor der Brücke. Durzo leerte den Köcher
von zwanzig Pfeilen in weniger als zehn Sekunden. Das war, so dachte Durzo, ein recht ordentliches Ergebnis. Natürlich, Gaelan Sternenfeuer hatte gewusst, wie man mit dem Langbogen umgeht.
Durzo warf den Bogen seinem Besitzer wieder zu, der noch nicht zu verstehen schien, was geschehen war. Graf Drake war eine andere Sache. Er blickte gar nicht erst zum Innenhof, wo die Cenarier in die Bresche drängten, die sich ihnen aufgetan hatte. Er blickte zu Durzo hinüber.
Sergeant Gamble stieß einen ehrfurchterfüllten Fluch aus, aber Graf Drake öffnete den Mund, um einen Segen zu sprechen. Durzo konnte ihn nicht entgegennehmen. Er war bereits fort.
Keine Segnungen mehr. Keine Barmherzigkeit mehr. Kein Salz mehr. Kein Licht mehr in meine dunklen Winkel. Lass dies enden. Bitte.
60
Furcht durchzuckte Kylar. Er ließ sich in den Rauch fallen. Über ihm erklangen ein dumpfer Aufprall und ein metallisches Schaben. Er rollte sich herum und sah ein Messer aus der Tür ragen und eins im Blech des Schlotes stecken.
»Du bist also dahintergekommen, dass es dich unsichtbar macht, hm?«, bemerkte Durzo Blint von irgendwo in der Dunkelheit in der Nähe des riesigen Ventilators am südlichen Ende des Tunnels.
»Verdammt, Blint! Ich habe Euch gesagt, dass ich nicht kämpfen will«, erwiderte Kylar und entfernte sich von der Stelle, an der er gestanden hatte.
Er betrachtete die Dunkelheit. Selbst wenn Durzo nicht vollkommen unsichtbar gewesen wäre, hätte er es in dem flackernden Wechselspiel von Licht und Schatten durchaus sein können.
»Das war ein beachtlicher Sprung, Junge. Versuchst du, selbst eine Legende zu werden?«, fragte Durzo, aber seine Stimme klang eigenartig erstickt und klagend. Kylar hielt inne. Durzo stand jetzt neben dem kleineren Ventilator am Nordende des Tunnels. Er musste mit nur einem Schritt Abstand an Kylar vorbeigegangen sein, um dorthin zu gelangen.
»Wer seid Ihr?«, fragte Kylar. »Ihr seid Acaelus Thorne, nicht wahr?« Kylar vergaß beinahe, sich zu bewegen.
Ein Messer segelte eine Handbreit entfernt von Kylars Bauch durch die Luft und prallte mit einem Klirren von der Wand ab.
»Acaelus war ein Narr. Er spielte den Teufel, und jetzt bekomme ich, was dem Teufel zusteht.« Durzos Stimme war rau, heiser. Er hatte geweint.
»Master Blint«, begann Kylar und benutzte den Ehrentitel zum ersten Mal, seit er den Ka’kari ergriffen hatte. »Warum schließt Ihr Euch mir nicht an? Helft mir, Roth zu töten. Er ist draußen, nicht wahr?«
»Draußen mit einer Bootsladung von Meistern und Vürdmeistern«, antwortete Durzo. »Es ist vorbei, Kylar. Binnen einer Stunde wird Khalidor die Burg eingenommen haben. Bei Morgengrauen treffen weitere Hochländer ein, und es marschiert bereits eine Armee von Khalidori auf die Stadt zu. Jeder, der eine Armee gegen sie hätte führen können, ist tot oder geflohen.«
Ein ferner Gong ertönte und hallte durch die raue Kehle des Schornsteins. Warme Luft wehte aus den Tiefen herauf.
Kylar war übel. Seine Arbeit war umsonst gewesen. Einige Soldaten getötet, einige Adlige gerettet - es hatte nichts geändert.
Er tappte zu dem kleinen Nordventilator hinüber, der sich jetzt schneller drehte. Durch seine Schaufeln konnte Kylar Roth sehen, der sich mit den Hexern beriet.
Durzo hatte recht. Es waren Dutzende von Hexern. Einige stiegen wieder in ihr Boot, aber mindestens zwanzig von ihnen begleiteten Roth, der außerdem eine Leibwache von einem Dutzend riesiger Hochländer hatte.
»Roth hat meinen besten Freund getötet«, erklärte Kylar. »Ich werde ihn töten. Heute Nacht.«
»Dann wirst du zuerst mich töten müssen.« »Ich werde nicht gegen Euch kämpfen.« »Du hast dich immer gefragt, ob du, wenn es hart auf hart käme, in der Lage wärst, mich zu schlagen«, sagte Durzo. »Ich weiß, dass du darüber nachgedacht hast. Und jetzt hast du deine Magie und den Ka’kari. Als Junge hast du geschworen, dass du es niemals zulassen würdest, dass dich jemand besiegt. Nie wieder. Du hast gesagt, du wolltest ein Mörder werden. Habe ich dich zu einem gemacht oder nicht?«
»Verdammt sollt Ihr sein! Ich werde nicht gegen Euch kämpfen! Wer ist Acaelus?«, rief
Weitere Kostenlose Bücher