Der Weg in Die Schatten
erledigen.
»Meine Hilfe?«
»Ich muss wissen, was aus Puppenmädchen geworden ist. Wo ist sie? Und ich muss wissen, was mit den Gilden geschieht.«
»Ich schätze, du kannst das nicht wissen.«
»So ist es.« Die Gilden waren jetzt nicht mehr Teil seines Lebens. Nichts war mehr so, wie es früher war.
»Schlägt dein Meister dich?«, fragte Jarl und betrachtete Azoths Blutergüsse.
»Die habe ich mir bei einer Rauferei zugezogen. Er schlägt mich, aber nicht wie...« Azoth brach ab.
»Nicht wie Ratte?«
»Wie geht es ihm?«, fragte Azoth in dem Bemühen, sein Tun zu verschleiern.
»Warum erzählst du es mir nicht? Du bist derjenige, der ihn getötet hat.«
Azoth öffnete den Mund, aber als er zwei Kleine in Momma Ks Salon sah, hielt er inne.
»Blint hat dich dazu gebracht, Ratte zu töten, um festzustellen, ob du es tun konntest, nicht wahr?«, fragte Jarl mit leiser Stimme.
»Nein. Bist du verrückt?« In seinem Kopf konnte er die Echos von Master Blints Stimme aus ihrem Training hören. »Dinge sprechen sich herum. Dinge sprechen sich immer herum.«
Ein gekränkter Ausdruck trat in Jarls Augen, und er blieb sehr lange still. »Ich sollte dich nicht bedrängen, Azoth. Es tut mir leid. Ich sollte dir einfach danken. Ratte... er hat mir ziemlich übel mitgespielt. Ich war ständig so verwirrt. Ich habe ihn gehasst, aber manchmal... als Ratte verschwand und ich dich mit Blint fortgehen sah...« Jarl blinzelte hastig und wandte den Blick ab. »Manchmal hasse ich dich. Du hast mich allein gelassen, und jetzt habe ich niemanden mehr. Aber... das stimmt nicht. Du hast nichts falsch gemacht. Nur Ratte... und ich.«
Azoth wusste nicht, was er darauf erwidern sollte.
Jarl begann wieder hektisch zu blinzeln. »Halt den Mund, Jarl. Halt den Mund.« Er wischte sich mit den Fäusten die Tränen aus den Augen. »Was brauchst du?«
Es gab etwas, das Azoth sagen sollte, er wusste es. Es sollte Jarl irgendwie beruhigen, aber er wusste nicht, wie. Jarl war sein Freund gewesen - war es immer noch, nicht wahr? -, aber er hatte sich verändert. Azoth hatte sich verändert. Er sollte jetzt eigentlich Kylar sein, doch stattdessen war er nur ein Betrüger, der mit jedem seiner Beine in einer anderen Welt stand und versuchte, sich festzuklammern, während sie auseinandertrieben. Was immer die Naturkatastrophe namens Ratte Azoth zum Festhalten übrig gelassen hatte, eines war gewiss: Zwischen ihm und Jarl hatte sich eine Kluft aufgetan, und Azoth hatte Angst, sich ihr auch nur zu nähern; er verstand nicht, was es war, wusste
nichts anderes, als dass es ihm das Gefühl gab, schmutzig und verängstigt zu sein. Jarl erlaubte ihm, die Mauern wieder hochzuziehen, indem er seine einfache Frage stellte - eine einfache Frage, die eine einfache Antwort erhalten konnte, ein Problem, das sie tatsächlich lösen konnten.
»Puppenmädchen«, wiederholte Azoth. Er war erleichtert, sich von seinem einstigen Freund zurückziehen zu können, und hatte gleichzeitig ein schlechtes Gewissen, weil er diese Erleichterung verspürte.
»Oh«, sagte Jarl. »Du weißt, dass sie...?«
»Geht es ihr jetzt wieder gut?«
»Sie lebt. Aber ich weiß nicht, ob sie es schaffen wird. Sie verspotten sie. Ohne dich ist sie nicht mehr so wie früher. Ich habe mein Essen mit ihr geteilt, aber die Gilde zerfällt. Die Dinge sind zu schlimm. Wir haben nicht genug zu essen.«
Die Gilde, nicht unsere Gilde. Azoth zwang sich zu einem leeren Gesichtsausdruck und weigerte sich zu offenbaren, wie sehr das schmerzte. Es hätte nicht schmerzen dürfen. Er war derjenige, der hinausgewollt hatte, er war derjenige, der fortgegangen war, aber es erfüllte ihn dennoch mit einem Gefühl der Leere.
Du wirst allein sein. Du wirst anders sein. Immer.
»Ja’laliel ist fast tot; es hat sich herausgestellt, dass Ratte ihm sein ganzes Geld für seine Behandlung gestohlen hatte. Und jetzt haben sie die Uferfront an Brennender Mann verloren, und die anderen rücken auch gegen sie vor.«
»Sie?«
Jarls Gesicht verzerrte sich. »Wenn du es unbedingt wissen musst, sie haben mich aus dem Schwarzen Drachen hinausgeworfen. Sie haben uns alle hinausgeworfen. Sie wollten keine Rattenliebchen, sagten sie.«
»Du hast keine Gilde?«, fragte Azoth. Das war eine Katastrophe.
Gilderatten ohne Gilde waren Freiwild für alle. Dass Jarl nach seiner Verstoßung am Leben geblieben war, war überraschend, dass er Essen gehabt hatte, um es mit Puppenmädchen zu teilen, war mehr als verblüffend,
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