Der Weg in Die Schatten
ein Geschöpf der Nacht. Er war ein Mann, der jene Dinge, die ihm teuer waren, verletzen konnte. Er untergrub alles, was der Lordgeneral für sicher gehalten hatte. Der Mann wirkte nicht verängstigt; er wirkte angewidert.
»Ich will nicht andeuten, dass ich jeden Blutjungen in der Stadt in Angst und Schrecken versetze.« Master Blint lächelte. »Tatsache ist, dass die wahren Könner eine kleine Gruppe sind, wenn wir uns auch nicht besonders nahe stehen. Wir sind Kollegen, einige von uns sind sogar tatsächlich Freunde. Der zweite Blutjunge, zu dem der Mann ging, war Scarred Wrable...«
»Ich habe von ihm gehört«, sagte Brant Agon. »Anscheinend der zweitbeste Meuchelmörder in der Stadt.«
»Blutjunge«, korrigierte ihn Blint. »Und ein Freund von mir. Er hat mir erzählt, was dieser Kunde tat. Danach - nun, falls eine militärische Metapher Euch mehr sagt - war es wie der Unterschied zwischen einem kleinen Überfall auf eine Stadt, die diesen erwartet, und dem auf eine ahnungslose Stadt.«
»Ich verstehe«, sagte der Lordgeneral. Er hielt einen Moment lang inne, anscheinend überrascht, dass Master Blint wusste, wer er war, dann grinste er plötzlich. »Und Ihr seid ebenfalls ein Taktiker.«
»Inwiefern?«
»Ihr habt nicht viele Kontrakte verloren, seit Ihr diese Geschichte erzählt, nicht wahr?«
Master Blint lächelte breit. Dies waren zwei Männer, begriff Azoth, die einander verstanden. »Keinen einzigen. Schließlich ist Diplomatie eine Verlängerung der Kriegsführung«, sagte Blint.
»Wir sagen im Allgemeinen, dass Kriegsführung eine Verlängerung der Diplomatie sei«, bemerkte Brant Agon. »Aber ich denke, ich stimme mit Euch überein. Ich habe mich einmal in der Unterzahl wiedergefunden und war gezwungen, während des Wartens auf Verstärkung zwei Tage lang eine Position gegen die Lae’knaught halten zu müssen. Ich hatte einige Gefangene, daher habe ich sie in eine verletzbare Position gebracht und ihren Wachen erklärt, dass wir bei Morgengrauen Verstärkung erhalten würden. Während der Kämpfe wurde den Gefangenen gestattet, sich zu befreien, und sie haben ihren Vorgesetzten prompt die Neuigkeiten erzählt. Die Armee der Lae’knaught war so entmutigt, dass sie sich zurückhielt, bis wir tatsächlich unsere Verstärkung bekamen. Diese Diplomatie hat uns das Leben gerettet. Was uns wieder zu unserem eigentlichen Thema zurückführt«, sagte der Lordgeneral. »Ich brauche eine Art von Diplomatie, die nicht auf Eurer Liste steht... Ich fürchte, ich war nicht ganz offen zu Euch, Master Blint«, fügte der Lordgeneral hinzu. »Ich bin im Auftrag des Königs hier.«
Plötzlich wich jede Emotion aus Master Blints Zügen.
»Mir ist klar, dass wir, indem ich Euch dies erzähle, vielleicht den Mann verlieren werden, der mir Euren Namen genannt hat. Aber der König ist der Meinung, diese Angelegenheit sei es wert, sowohl das Leben eines Mittelsmannes wie auch das eines seiner Minister - namentlich meines - zu verlieren.«
»Ihr habt doch nichts Törichtes getan, wie zum Beispiel das Gebäude mit Soldaten zu umstellen, oder?«, fragte Master Blint.
»Nichts Derartiges. Ich bin allein hier.«
»Dann habt Ihr heute zumindest eine kluge Entscheidung getroffen.«
»Mehr als eine. Wir haben Euch ausgewählt, Master Blint. Und ich habe mich dafür entschieden, offen zu Euch zu sein, was Ihr hoffentlich zu schätzen wisst... Wie Euch klar sein dürfte, ist der König wohlhabend, aber weder in politischer noch in militärischer Hinsicht besonders stark. Das ist bitter, doch es ist nichts Neues. Unsere Könige sind seit hundert Jahren nicht mehr stark gewesen. Aleine Gunder wünscht, das zu ändern. Aber neben internen Kämpfen, von denen Ihr zweifellos mehr wisst, als ich zu erfahren wünsche, hat der König in jüngster Zeit von einigen ziemlich verschlagenen Verschwörungen erfahren, nach denen nicht nur aus der königlichen Schatzkammer gewaltige Summen Geldes gestohlen werden sollen, sondern - durch eine Vielzahl von Intrigen - auch aus den Schatullen fast jedes Adligen im Land. Das damit verfolgte Ziel ist unserer Meinung nach, Cenaria so arm zu machen, dass wir außerstande sein werden, eine Armee zu erhalten.«
»Das scheint mir eine Menge Geld zu sein, um es zu stehlen, ohne dass irgendjemand es bemerken sollte«, sagte Master Blint.
»Der Schatzkanzler hat es bemerkt - er ist derjenige, der es arrangiert. Aber bisher ist es sonst noch niemandem aufgefallen. Die Pläne sind beinahe
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