Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Weg in Die Schatten

Titel: Der Weg in Die Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
Vom Netzwerk:
müssen.
    Er zögerte. Es stand sein Leben gegen ihres. Sie hatte ihn gesehen. Seine Tarnung war nur so lange gut, wie niemand wusste, dass ein vierzehnjähriger Mörder in der Stadt war. Sie hatte sein Gesicht gesehen. Sie war einer ›Leiche‹ in den Weg geraten. Sie war lediglich ein Begleitschaden. Ein Blutjunge würde tun, was getan werden musste. Es war weniger professionell, aber manchmal unvermeidlich. Es spielt keine Rolle, hatte Blint gesagt. Beende einfach den Job.
    Blint ließ ihn nur so lange am Leben, wie er bewies, dass er alles tun konnte, was ein Blutjunge tat, selbst ohne Magie .
    Doch hier lag sie, mit dem Gesicht nach unten, während Kylar
rittlings auf ihr saß, die Spitze seines Dolchs in ihren Nacken gedrückt, seine linke Hand um ihr Haar gewunden, während er versuchte, sich das rote Blut nicht vorzustellen, das auf ihrem weißen Dienstbotenkleid erblühen würde. Sie hatte nichts getan.
    Leben ist leer. Leben ist bedeutungslos. Wenn wir ein Leben nehmen, nehmen wir nichts von Wert. Ich glaube es. Ich glaube es.
    Es musste eine andere Möglichkeit geben. Konnte er ihr sagen, dass sie weglaufen sollte? Dass sie mit niemandem darüber sprechen sollte, dass sie das Land verlassen und niemals zurückkehren sollte? Würde sie es tun? Nein, natürlich nicht. Sie würde zum nächstbesten Wachposten rennen. Sobald sie sich in der Nähe irgendeines stämmigen Burgwächters befand, würde jedwede Angst, die Kylar ihr eingejagt hätte, so klein und schwach wirken wie eine Gilderatte mit einem Messer.
    »Ich habe ihm gesagt, was geschehen würde, wenn er die Sa’kagé bestiehlt«, bemerkte sie mit seltsam ruhiger Stimme. »Dieser Bastard. Neben allem anderen, was er mir genommen hat, hatte er nicht einmal den Anstand, allein zu sterben. Ich bin hergekommen, um mich zu entschuldigen, und jetzt wirst du mich töten, nicht wahr?«
    »Ja«, antwortete Kylar, aber er log. Er hatte das Messer an der richtigen Stelle ihres Rückens platziert, doch es weigerte sich, sich zu bewegen.
    Aus dem Augenwinkel sah er einen Schatten auf der Treppe. Kylar rührte sich nicht, gab durch nichts zu erkennen, dass er ihn gesehen hatte, aber ein kalter Schauer überlief ihn. Es war mitten am Nachmittag, es brannten keine Fackeln, keine Kerzen. Dieser Schatten konnte nur Master Blint sein. Er war Kylar gefolgt. Er hatte alles beobachtet. Der Auftraggeber war der Shinga, und Blint würde nicht zulassen, dass die Sache vermasselt wurde.
    Kylar stach ihr das Messer zwischen die Rippen, zog es zur
Seite und spürte das Schaudern und den Seufzer der Frau, die unter ihm starb.
    Er stand auf und zog das Messer aus ihrem Fleisch; sein Geist war plötzlich seltsam losgelöst und entfernte sich von ihm, wie es ihm an jenem Tag auf der Werft mit Ratte ergangen war. Er wischte die rote Klinge an ihrem weißen Kleid ab, schob sie in die Scheide an seinem Schenkel und überprüfte im Spiegel, ob Blut an seinen Kleidern war, genauso wie man es ihn gelehrt hatte.
    Für ihn bedeutete es allen Kummer der Welt, dass er sauber war. Er hatte kein Blut an den Händen.
    Als er sich umdrehte, stand Blint in der offenen Tür, die Arme vor der Brust verschränkt. Kylar sah ihn nur an. Er schwebte immer noch irgendwo hinter seinem eigenen Körper, dankbar für die Taubheit.
    »Nicht großartig«, sagte Durzo, »aber akzeptabel. Der Shinga wird zufrieden sein.« Er schürzte die Lippen und sah die Distanziertheit in Kylars Augen. »Leben ist bedeutungslos«, fügte Durzo hinzu, während er eine Knoblauchzehe zwischen den Fingern rollte. »Leben ist leer. Wenn wir ein Leben nehmen, nehmen wir nichts von Wert.«
    Kylar starrte ihn mit leerem Blick an.
    »Wiederhole es, verdammt noch mal!« Durzo bewegte die Hand, und ein Messer sirrte durch die Luft und bohrte sich in die Kommode hinter Kylar.
    Er zuckte nicht einmal zusammen. Mechanisch wiederholte er die Worte. Seine Finger kribbelten und spürten wieder und wieder dieses leichte Auseinandergleiten von Fleisch, das sich um das Messer herum teilte. War es so einfach? War es so simpel? Man stieß lediglich zu, und der Tod kam? Da war nichts Spirituelles daran. Nichts geschah. Niemand wurde in Graf
Drakes Himmel oder Hölle gerissen. Sie hörten einfach auf zu sein. Sie hörten auf zu reden, hörten auf zu atmen, hörten auf, sich zu bewegen, hörten zu guter Letzt auf zu zucken. Hörten einfach auf.
    »Dieser Schmerz, den du empfindest«, sagte Blint beinahe sanft, »ist der Schmerz, den das Loslassen

Weitere Kostenlose Bücher