Der Weg in die Verbannung
Gelächter der Zuschauer ging er mit langen Schritten zurück in die Loge. Die Leute, die schon gefürchtet hatten, irgendwie betrogen worden zu sein, freuten sich derart über den Erfolg des Esels, daß sie bis zu Tränen lachten.
»Also Harka«, sagte Red Jim wütend zu dem Jungen. »Jetzt kommst du! Nach mir!«
Harka stand auf, legte alle Kleidung bis auf den Gürtel ab und ging langsam auf den Mann im Frack zu, um sich zu melden.
»Bitte, mein Junge! Aber nimm dich in acht!«
Harka begab sich ohne Eile in die Nähe des Esels, sprang auf und parierte sofort alle üblichen Versuche des Tieres, den Reiter abzuwerfen: steigen, ausschlagen, mit allen vieren in die Luft gehen und einen Katzenbuckel machen. Der Esel war gut ausgeruht und seine Gymnastik machte ihm selbst Spaß, aber Harka war auch gut ausgeruht und kam mit seiner Gegenwehr nie auch nur den Bruchteil einer Sekunde zu spät. Der Kampf zwischen dem Esel und diesem jugendlichen Reiter zog sich durch die Manege, dahin und dorthin. Die Zuschauer begannen Beifall zu spenden. Neue Wetten wurden abgeschlossen, für und gegen den Esel, für und gegen den Indianerjungen. Red Jim sah sich die Sache in Ruhe an. Dem wichtigsten Trick des Esels würde auch Harka nicht gewachsen sein! Der Junge schwitzte schon, ihm war heiß vor Anstrengung. Zwei Minuten hatte er bereits den Kampf geführt, das war in diesem Tempo eine lange Zeit. Zwei Minuten, noch eine halbe Minute … jetzt mußte die Entscheidung fallen! Die Zuschauer brüllten, johlten, grölten, sie sprangen auf und fuchtelten mit den Armen.
Harka sah kommen, daß der Esel in den letzten Sekunden seinen Haupttrick gegen ihn anwenden würde. Dann konnte er abspringen, wie es in einem gewöhnlichen Kampf zwischen Reiter und Tier üblich gewesen wäre, und gleich darauf wieder aufspringen. Aber das würde ihm nicht als Sieg angerechnet werden. Oder er mußte auf dem Rücken bleiben, sich von dem wälzenden Tier schlagen und quetschen und wahrscheinlich beißen lassen oder er tat etwas ganz anderes.
Harka drehte sich auf dem bockenden Esel um, so daß er verkehrt saß wie im Anfang der Clown, und griff nach dem Schwanz. Sofort hielt der Esel still, und als Harka ihm einen Schenkeldruck gab, begann er friedlich wie ein Lamm im Rund zu laufen. Einmal, zweimal, dreimal. Die dritte Minute war abgelaufen, und Harka saß noch auf dem Rücken des Tieres.
Die Zuschauer warteten jetzt stumm, sozusagen mit offenem Mund, aber als die dritte Minute endgültig und unwiderruflich abgelaufen war, brach ein Orkan des Beifalls los. Schreien, Klatschen, Trampeln mischten sich.
Harka sprang ab, klopfte dem Esel den Hals, ging zu dem Inspizienten, nahm die zehn Dollar in Empfang und begab sich wieder in die Loge. Er schlüpfte in seine Kleider und saß da, als sei nichts gewesen.
Mattotaupa lächelte nur. Der Maler und Langspeer sprachen ihre Bewunderung aus. Jim fluchte und sagte: »Verdammt! Der Junge ist schlau. Das war also der Dressurtrick, um die Eselsbestie zur Ruhe zu bringen. Hätt’ ich mir auch denken können!«
Auf den Eselritt folgte die große Pause. Ein Teil des Publikums strömte zur Tierschau, die in der Pause nochmals gezeigt wurde. Jim ging mit der blondgelockten Kassiererin hinaus. So blieben der Maler und Langspeer mit den beiden Dakota allein in der Loge. Gelbbart schmunzelte immer noch vergnügt, wenn er daran dachte, wie Harka den Esel bezwungen hatte.
Nach einigen Minuten kam der Herr im Frack, der die Pferdedressur und den Eselsritt dirigiert hatte, zu der Loge, stellte sich dem Maler vor und fragte sehr höflich, ob der Indianerjunge denn den Trick gekannt habe und vielleicht schon im Zirkus aufgetreten sei? Gelbbart versicherte lachend, Harka sehe zum erstenmal in seinem Leben eine Zirkusvorstellung.
»Aber, Sir, das ist ja erstaunlich, das ist unglaublich, das ist ein Naturtalent, wie man es alle hundert Jahre einmal findet! Zu welchem Stamm gehört denn der Junge, und wer hat die Erziehungsgewalt?«
»Zu den Dakota, mein Herr, und hier sitzt der Vater!«
Der Herr im Frack betrachtete Mattotaupa, wie man ein als schwierig bekanntes Reitpferd vor dem Aufspringen mit Aufmerksamkeit taxiert und auf seine möglichen Launen einschätzt. »Ich habe eine große Bitte! Würden Sie mich unterstützen, Sir?« sagte er dabei zu dem Maler.
»Das kommt auf die Natur Ihrer Bitte an!«
»Wir sind in der furchtbarsten Verlegenheit! Die angekündigte Indianergruppe hat uns im Stich gelassen, ist in der
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