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Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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letzten Stadt, in der wir aufgetreten sind, einfach zurückgeblieben. Wahrscheinlich hat die Konkurrenz sie bestochen. Die Menschen sind unerhört gewissenlos! Wenn die Pause zu Ende geht, und wir können die angekündigte Nummer nicht bringen, sind wir blamiert, wir sind ruiniert! Die Leute sind imstande und demolieren die Bänke und das Zelt, sie stürmen die Kasse, es ist überhaupt nicht auszudenken! Wir müssen also die Indianer-Cowboy-Nummer unter allen Umständen bringen, verstehen Sie? Cowboys gibt es hier genug, aber Indianer, die wirklich etwas können, das ist ja so schwer zu bekommen, so fürchterlich schwer!«
    »Ja, und was hat das mit uns hier zu tun?«
    »Also ich meine, der Junge kann reiten wie zehn Teufel, das kann der Vater natürlich auch, ich zweifle nicht daran! Ich nehme an, die beiden können auch schießen und Lasso werfen. Es käme auf eine kleine Probe an, auf eine ganz kleine vorbereitende Probe, und vielleicht würde der Herr hier neben Ihnen sich auch beteiligen. Meine Herren, ich bitte Sie, das nicht falsch zu verstehen, aber wir sind in vollständiger Verzweiflung. Wenn die Leute uns das Zelt demolieren, sind wir ruiniert, gerade jetzt vor dem Winter, und nur Sie können uns helfen. Sie sind gentlemen, ich weiß, Sie sitzen in der Loge, bitte glauben Sie mir, daß ich Sie nicht mit Artisten verwechsle! Sie würden das zum Spaß tun, ich würde es auch so ankündigen … also, ich bitte Sie flehentlich und inständig … Sie bekommen dann keine Gage, Sie sind keine Artisten, aber ich werde dem Jungen ein Geschenk überreichen. Der Junge ist jetzt schon der Liebling des Publikums, und es würde ausgezeichnet wirken, wenn ich eine Nummer mit ihm ankündigen könnte!«
    Langspeer übersetzte für Mattotaupa und Harka.
    »Sir, ich bitte Sie kniefällig, überreden Sie alle Ihre roten Freunde.«
    Langspeer lächelte in einer Art und Weise, als ob er Lust habe, auf die Bitte einzugehen. Mattotaupa hatte bis jetzt mit keiner Wimper gezuckt.
    »Was denkst du, Mattotaupa?« wandte sich Langspeer direkt an ihn. »Wir könnten den Leuten hier den Kampf um den Fuchsschwanz vorführen ­ drei der Cowboys, die sie hier haben, gegen uns drei. Das wäre ein Spaß!«
    Mattotaupa zog die Lippen zusammen. »Kann ich eine Frage an diesen weißen Mann stellen?«
    »Aber selbstverständlich!«
    »Warum hat er die Nummer mit den Indianern angekündigt und laut in der Stadt ausgerufen, wenn er doch wußte, daß diese Truppe nicht mehr bei dem Zirkus ist?«
    Der Mann im Frack geriet in einige Verlegenheit. »Häuptling der Dakota, das ist das Geschäft, das macht das Geschäft! So ist das eben. Die Dakotanummer war gedruckt, ich mußte die Plakate herausgeben; ich muß auch ausrufen, was auf den Plakaten steht ­ ­ außerdem ist unser Manager der Indianertruppe unterwegs, um sie doch noch hierher nachzuholen! Vielleicht gelingt es ihm! Ich hoffe, daß es ihm gelingt. Bis morgen spätestens haben wir die Truppe hier! Es wäre nur heute einmal auszuhelfen!«
    »Der weiße Mann mag doch die Reihenfolge wechseln und uns erst seine Löwen und Tiger und den Mann auf dem Seil zeigen! Am Ende werden seine Cowboys auftreten …«
    »Und ihr mit diesen, Häuptling?«
    »Das überlegen wir uns.«
    Mattotaupas Worte wirkten sehr ablehnend. Er hätte »nein« gesagt, wenn er nicht gefürchtet hätte, unhöflich gegen Langspeer zu werden.
    »Ich gebe die Hoffnung nicht auf!« rief der Mann im Frack. »Wir haben über Winter einen tollen Kundschafter und Cowboy bei uns, einen jungen Menschen, großartig! Er ist der Führer der Indianer- und Cowboytruppe. Wenn er noch vor Ende der Vorstellung zurückkommen sollte, schicke ich ihn hierher! Ihm werdet ihr nicht widerstehen können.«
    »Sein Name?«
    »Buffalo Bill.«
    Langspeer zuckte die Achseln. Er kannte den Namen nicht. Der Hahnenkampf-Bill konnte hier nicht gemeint sein. Leute mit Namen Bill gab es wie Sand am Meer.
    Die Pause ging ihrem Ende zu. Die Kasse war während der Pause geöffnet; die blonde dicke Dame saß daher im Kassenwagen.
    Jim kam mit strahlender Laune in die Loge zurück. Über den Grund seiner guten Laune gab er von sich aus keine Auskunft, und es fragte ihn auch keiner danach. Aber Langspeer berichtete von dem Gespräch mit dem Mann im Frack. Jim schlug sich klatschend auf die Schenkel.
    »Mann, das ist eine Sache! Eine Sache ist das! Der Buffalo Bill! Den kenn’ ich, hab’ ihn bei den Vermessungsarbeiten gesehen, im Sommer. Toller Bursche ist er,

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