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Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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mit der kleinen Krone im blonden Haar, lächelte, grüßte, Handküsse verteilte und sich in ihren weißseidenen Schuhen auf der breiten Kruppe des Schimmels auf die Zehen stellte. Cate träumte sich selbst sofort in diese Rolle hinein, und Douglas stellte sich vor, wie er als kühner Kunstreiter hinter der kleinen Prinzessin aufs Pferd springen würde. Auf den oberen Rängen rauschte bereits der erste Beifall auf, und die beiden Kinder klatschten.
    »Nicht so laut!« flüsterte Tante Betty mahnend. »Eine junge Lady ist immer sparsam mit ihrem Beifall und trachtet, nicht aufzufallen!«
    Cate, in ihrem schönen Traum gestört, verzog schmollend die Lippen. Gleich darauf aber wurde ihr Interesse von anderen Attraktionen gefangengenommen, und Tante Betty war schon wieder vergessen. Kamele und Elefanten zogen vorbei. Auf dem Nacken des ersten Elefanten saß vor dem jungen Treiber mit Turban und Stachelstecken ein Äffchen, angezogen wie ein Mädchen, mit Rock, Bluse und Kopftuch! Es ahmte die voranreitende Kunstreiterin treffend nach, stellte sich auf die Zehen, winkte und verteilte Küßchen. Alle Kinder lachten und gaben damit das Signal dafür, daß sich die Heiterkeit auch bei den großen Leuten verbreitete.
    »Schau!« rief Cate dann und griff impulsiv über die Logenseitenwand hinüber, um Douglas nicht nur mit ihrem Ausruf, sondern auch durch ein Klopfen auf seinen Arm aufmerksam zu machen.
    Tante Betty packte Cates Händchen und legte es auf den Schoß des Mädchens zurück, wo dieses Händchen ihrer Ansicht nach ruhig zu liegen hatte.
    Aber Douglas wußte schon, was er sich ansehen sollte. In der Parade erschienen vier wunderhübsche Pferde, zwei Rappen, zwei Schimmel ­ »wahrhaftig Araberblut!« murmelte Samuel Smith ­, auf den Rappen saßen Jungen im Herren, auf den Schimmeln Mädchen im Damensattel. Jungen und Mädchen trugen den englischen Reitdreß. »Die Kinder des Lords«, flüsterte Douglas. Cate und ihr kleiner Freund waren gefangengenommen. Kinder, Kinder wie sie selbst, in der Manege! Auf Cates Bäckchen brannten rote Flecken der freudigen Erregung.
    Sie merkten gar nicht, daß in diesem Augenblick die drei bis dahin noch leeren Stühle in der Loge von drei Herren eingenommen wurden. Aber Tante Betty entging das nicht, und sie war tief befriedigt, weil sowohl das Äußere als auch das Benehmen dieser Herren einen Eindruck machten, den sie in Gedanken als sehr gepflegt bezeichnete.
    Tante Betty wurde erst wieder auf die Manege aufmerksam, als der Beifall des Publikums sie aus ihren eben angestellten Betrachtungen aufstörte. Die Zirkusparade war bereits wieder durch den Manegenausgang verschwunden; nur der größere der beiden »Söhne des Lords« auf dem tänzelnden Rappen hielt noch in der Mitte, und mit einem leichten Anziehen der Zügel, einem kaum hörbaren Zuruf nahm er das Pferd steil hoch und ließ es sich einmal auf den Hinterbeinen drehen.
    »Der Junge ist Klasse!« flüsterte einer der drei gepflegten Herren in der Loge der Familie Smith. »Aus dem Material könnte man einen Schulreiter entwickeln. Aber dazu braucht es Zeit, das heißt Kapital. Das Unternehmen hier ist für die heutigen Anforderungen in seinen Mitteln zu beschränkt.«
    »Warum nimmt er den Zylinder nicht ab, er müßte jetzt grüßen«, kritisierte der zweite Herr.
    »Gewisse Unsicherheit, beide Hände am Zügel. Um große Klasse zu werden, gehört der Junge in eine andere Hand.«
    »Glaube ich nicht. Sitzt doch wie angegossen auf dem Gaul. Haltung exakt, und ruhig bleibt er auch. Sache des Regisseurs. Hätte dem Jungen die Manieren beibringen müssen.«
    Das alles hörte Tante Betty mit Befriedigung, aber Cate hörte es nicht. Sie hatte selbst reiten gelernt, und sie sah nichts, als daß ein Kind in der Manege ein Pferd dirigierte und ganz allein der Mittelpunkt des Beifalls war.
    Douglas aber war fest entschlossen, noch ganz andere Reiterkunststücke zu lernen.
    Der junge Reiter in der Manege ließ das Pferd herunter und ritt hinaus.
    Die Diener legten, vom Clown mit Witzen bedacht, den großen röten Teppich. Die Parterreakrobaten sprangen herein, wirbelten in Saltos vorwärts und rückwärts, sprangen übereinander weg, fingen sich und bauten Pyramiden. Die Nummer war auf Tempo abgestellt und machte, kaum daß die Zuschauer richtig begriffen, was geschah, schon der nächsten Platz. Die Kunstreiterin, die Freiheitsdressuren der Pferde und »Die Szene in der Schule« mit dem kleinen Äffchen folgten. Cate mußte

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