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Der Weg ins Dunkel

Der Weg ins Dunkel

Titel: Der Weg ins Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Woodhead
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vordersten Oryx und ging dann ohne jede Eile auf die Laderampe der Iljuschin zu. Die Männer der Bodentruppe traten zur Seite, um ihm Platz zu machen, und er betrat den schummrigen Frachtraum. Er war untersetzt, aber kräftig, und seine breite Brust spannte sein schwarzes T-Shirt. Um den Hals trug er ein weißes Tuch, und sein Haar war länger als der übliche Militärschnitt.
    Mit einem Fuß auf der Laderampe drehte er sich zu den anderen Helikoptern um und signalisierte ihnen, dass sie ausladen konnten. Als Säcke aus Hartplastik auf die Landebahn getürmt und dann gegen die Kisten mit den Kalaschnikows getauscht wurden, stand er mit dem Rücken zu den chinesischen Soldaten und schien vergessen zu haben, dass sie überhaupt da waren.
    Louis hatte Jean-Luc bereits in dem Moment erkannt, als er aus dem Hubschrauber ausstieg, und zwar an der katzenhaften Art, mit der er sich bewegte: voller Selbstvertrauen, gelassen und doch jederzeit auf dem Sprung. Mit seinen breiten Schultern und den enormen Armen hätte man ihn für einen gemeinen Schläger halten können, aber seine intelligenten, tief liegenden Augen sprachen eine andere Sprache.
    Louis war immer nervös, wenn der Franzose eine Operation leitete. Sogar wenn er nüchtern war, wusste man nie, ob er einen im nächsten Moment zusammenschlagen oder umarmen würde. Auf direkte Fragen reagierte er nicht, dafür konnte er wegen der unbedeutendsten Kleinigkeit einen Lachanfall bekommen. Sich auf ihn einzustellen, war anstrengend bis unmöglich.
    Louis sah sich unter den Chinesen um und suchte seinen Ansprechpartner, als der Franzose plötzlich zu ihm herumwirbelte.
    «Louis», rief er.
«Comment vas-tu, mon ami?»
Wie geht’s dir, mein Freund?
    Der Flughafenchef zwang sich zu lächeln. «Bestens, Monsieur Étienne. Danke der Nachfrage.»
    Jean-Luc trat von der Laderampe herunter, legte Louis unsanft eine riesige Hand auf die Schulter und nickte geistesabwesend, als hätte er sich gerade köstlich amüsiert, aber schon wieder vergessen, worüber.
    Louis’ Lächeln fror ein. Der Anisgeruch von reichlich Pastis warf die Frage auf, ob Jean-Luc sich an ihm abstützte oder ob er ihn aus reiner Menschenfreundlichkeit an der Schulter packte. «Und selbst?», fragte er.
    Jean-Lucs Miene war unverändert freundlich und nichtssagend. Er hob den linken Arm und gab seinen Leuten das Zeichen, die Fracht herüberzubringen.
    «Nun zu uns», sagte er leise zu Louis. «Wir müssen uns mal über den Spritpreis unterhalten, den du meinen Leuten abknöpfst. Meinst du nicht, dass wir uns langsam einen kleinen Rabatt verdient haben?»
    «Aber, Monsieur», sagte Louis. «So funktioniert das nicht.»
    Jean-Luc verstärkte den Druck auf Louis’ Schulter. «Ach nein? Auch nicht bei Dauerkunden? Inzwischen sind wir doch alte Freunde!»
    Louis schüttelte den Kopf und senkte den Blick. «Monsieur, hier gelten für alle dieselben Konditionen. Sogar für die UN -Maschinen.»
    Jean-Luc reckte das Kinn, bis es Louis’ Gesicht fast berührte. «Was hab ich mit den verfluchten UN zu tun?», sagte er so scharf, dass seine Spucke auf Louis’ Gesicht spritzte. Seine Augen waren glasig, und das linke machte nicht dasselbe wie das rechte. «Antworte mir! Bin ich die verfluchten UN ?»
    Louis rührte sich nicht. Obwohl er Jean-Luc kannte, kam seine plötzliche Feindseligkeit überraschend. Und sie konnte jederzeit überkochen. «Ich werde sehen, was ich tun kann, Monsieur.»
    Jean-Luc klopfte ihm auf die Schulter, als hätten sie sich bereits geeinigt. Dann legte er seinen Arm um die Schultern des Flughafenchefs, als wären sie alte Waffenbrüder.
    Zusammen beobachteten sie, wie die chinesischen Soldaten aus dem Flugzeug stiegen und schussbereit auf dem Rollfeld in Position gingen. Dann traten die Chinesen aus den Geländewagen einer nach dem anderen vor, holten die Holzkisten aus den Paletten und trugen sie zu den Helikoptern.
    Das alles ging wortlos vor sich. Mit gesenktem Blick reichten die Männer einander die Kisten und mieden jeglichen Blickkontakt mit den Soldaten. Alle paar Minuten erfasste sie der Luftwirbel des langsam kreisenden Rooivalks.
    Als die Kalaschnikows in den Helikoptern verstaut waren, wandten sich die Männer den Plastiksäcken zu, trugen sie in das Flugzeug und stapelten sie aufeinander.
    Louis blickte in die Gesichter der Männer, als sie an ihm vorbeikamen, immer noch auf der Suche nach seinem Ansprechpartner, aber das rote Schummerlicht ließ alle Konturen verschwimmen. Doch dann

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