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Der Weg ins Glueck

Titel: Der Weg ins Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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fragte Rilla. Bis jetzt wusste noch niemand, wie Mr Pryor die Sache aufgenommen hatte.
    »Nein. Wenn Joe sich den Hunnen stellen kann, dann werde ich mich wohl auch meinem Vater stellen können«, sagte Miranda tapfer. »Die Frau eines Soldaten darf kein Feigling sein. Komm, Wilfy. Ich gehe jetzt nach Hause und werde das Schlimmste über mich ergehen lassen.«
    Aber so schlimm wurde es gar nicht. Vielleicht hatte sich Mr Pryor gesagt, dass Haushälterinnen schwer zu bekommen waren und dass Miranda die Tür bei so vielen Milgraves offen stand - und nicht zuletzt gab es ja auch noch so etwas wie eine Trennungszulage. Er zeigte sich zwar mürrisch und sagte, sie hätte sich wohl ziemlich albern benommen, und das würde sie ihr Leben lang bereuen, aber das war auch alles, was er sagte. Mrs Joe band sich daraufhin die Schürze um und ging wie immer an die Arbeit, während sich Sir Wilfrid Laurier, der vom Leuchtturm die Nase voll hatte, in seiner Kuschelecke hinter der Brennholzkiste schlafen legte und froh war, von Kriegshochzeiten fortan verschont zu bleiben.

Gertrudes Traum
    An einem kalten, grauen Februarmorgen wachte Gertrude Oliver zitternd auf. Sie flüchtete sich hinüber in Rillas Zimmer und kroch zu ihr ins Bett.
    »Rilla, ich habe Angst. Ich habe Angst wie ein kleines Kind, weil ich wieder einen meiner merkwürdigen Träume gehabt habe. Etwas Schreckliches steht uns bevor, ich weiß es!«
    »Was war das denn für ein Traum?«, fragte Rilla.
    »Ich stand wieder auf der Verandatreppe, so wie in dem Traum in der Nacht vor dem Leuchtturmfest. Am Himmel kam eine riesengroße, bedrohliche Gewitterwolke von Osten heran. Kaum sah ich ihren Schatten heranjagen, war ich auch schon von ihr eingehüllt und zitterte vor Kälte. Dann brach der Sturm los - ein entsetzlicher Sturm blendende Blitze, ohrenbetäubende Donnerschläge, wolkenbruchartiger Regen. In Panik wollte ich losrennen, um Schutz zu suchen, und als ich mich umdrehte, kam ein Mann die Treppe heraufgestürzt und stellte sich neben mich auf die Türschwelle. Es war ein Soldat, der die Uniform eines französischen Offiziers trug. Seine Kleidung war blutdurchtränkt von einer Wunde in der Brust, und er machte einen völlig erschöpften Eindruck; aber sein Blick war gefasst und seine Augen in dem eingefallenen, blassen Gesicht glühten. »Sie werden nicht durchkommen«, sagte er mit leiser, leidenschaftlicher Stimme, die ich im Tumult des Sturms kaum vernahm. Dann wachte ich auf. Rilla, ich habe Angst. Ich habe Angst, dass der Frühling doch nicht den großen Vorstoß bringt, auf den wir alle gehofft haben. Stattdessen wird er Frankreich einen schrecklichen Schlag bescheren. Dessen bin ich mir ganz sicher. Die Deutschen werden irgendwo durchzubrechen versuchen.«
    »Ich denke, er hat gesagt, sie werden nicht durchkommen«, sagte Rilla ernst. Sie lachte nie über Gertrudes Träume, so wie ihr Vater es gern tat.
    »Ich weiß nicht, ob das eine Prophezeiung war oder ein Ausruf der Hoffnungslosigkeit. Rilla, die Angst sitzt mir jetzt noch eiskalt im Nacken. Wir werden sehr bald unseren ganzen Mut einsetzen müssen.«
    Am Frühstückstisch lachte Gilbert noch über Miss Olivers Traum, doch das war das letzte Mal. Denn an diesem Tag kam die Nachricht vom Beginn des Angriffs auf Verdun und den ganzen Frühling lang lebten die lngleside-Bewohner in einem Zustand von Angst und Schrecken. An manchen Tagen machten sie sich völlig entmutigt auf das Ende gefasst, denn die Deutschen näherten sich langsam aber sicher den Verteidigungslinien des verzweifelten Frankreich.
    Während Susan die Küche von Ingleside auf Hochglanz brachte, war sie in Gedanken auf den Hügeln um Verdun. »Liebe Frau Doktor«, sagte sie, als sie am Abend noch einmal den Kopf zur Tür hereinsteckte, »ich kann nur hoffen, dass die Franzosen den Krähenwald - »Crow’s Wood« - behalten haben.«
    Und am nächsten Morgen fragte sie sich, ob wohl der Hügel des Toten Mannes - »Dead Man’s Hill« - noch in ihrer Hand war. Susan hätte eine Landkarte von der Gegend um Verdun anfertigen können, über die ein Generalstabschef nur gestaunt hätte.
    »Wenn die Deutschen Verdun erobern, dann ist Frankreich mit seiner Kraft am Ende«, sagte Miss Oliver erbittert.
    »Sie werden es nicht erobern«, behauptete Susan, obwohl sie an diesem Tag keinen Bissen herunterbekam vor lauter Angst, sie könnten es doch schaffen. »Erstens haben Sie ja geträumt, dass sie nicht durchkommen - Sie haben genau das geträumt, was

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