Der Weg ins Glueck
unangebrachte Kichern, das sich ihr aufdrängen wollte, zu unterdrücken.
Sie wagte nicht, irgendjemanden im Raum anzusehen, schon gar nicht die Frau von Angus dem Toten, vor lauter Angst, sie könnte dann nicht länger an sich halten und müsste in ein lautes, höchst undamenhaftes Gelächter ausbrechen. Immerhin, die Hochzeit fand statt, und danach gab es im Esszimmer einen so verschwenderischen Hochzeitsschmaus, als seien dafür wochenlange Vorbereitungen nötig gewesen. Jeder hatte irgendetwas mitgebracht. Die Frau von Angus dem Toten hatte einen großen Apfelkuchen angeschleppt, den sie auf einem Stuhl im Esszimmer abgestellt hatte, um sich nachher in ihrer Vergesslichkeit darauf zu setzen. Das kam weder ihrer Stimmung noch ihrem schwarzen Seidenkleid zugute, und den Kuchen vermisste auch niemand bei dem fröhlichen Hochzeitsfest. Woraufhin die Frau von Angus dem Toten ihn schließlich wieder mit nach Hause nahm. Mondgesicht-mit-Schnauzbarts Hausschwein sollte ihn jedenfalls nicht bekommen.
Am Abend brachen Mr und Mrs Joe in Begleitung des wieder auferstandenen Sir Wilfrid zum Leuchtturm von Four Winds auf, der von Joes Onkel bewacht wurde. Dort wollten sie ihren kurzen Flitterabend verbringen. Una Meredith, Rilla und Susan wuschen das Geschirr ab, räumten auf, ließen ein kaltes Abendessen und Mirandas mitleidsvolle Notiz für Mr Pryor auf dem Tisch zurück und traten den Heimweg an, während sich der geheimnisvolle Schleier der winterlichen Abenddämmerung über Gien ausbreitete.
»Es muss schön sein, eine Kriegsbraut zu sein«, bemerkte Susan gerührt.
Rilla fühlte sich ziemlich matt - vielleicht als Folge der ganzen Aufregung und Hektik der vergangenen sechsunddreißig Stunden. Irgendwie war sie enttäuscht. Die ganze Angelegenheit war ihr so albern vorgekommen und Miranda und Joe so weinerlich und langweilig.
»Wenn Miranda diesen jämmerlichen Hund nicht überfüttert hätte, dann hätte er auch keinen Anfall gekriegt«, schimpfte sie. »Ich habe sie noch gewarnt, aber sie sagte, sie könne doch den armen Hund nicht verhungern lassen, und er wäre doch bald alles, was ihr noch bleibt, und so weiter und so fort. Ich hätte sie schütteln können.«
»Der Trauzeuge war noch aufgeregter als Joe«, sagte Susan.« Als er ihr gratulierte und ihr alles Gute wünschte, sah sie nicht sehr glücklich aus. Aber das kann man unter solchen Umständen vielleicht auch nicht erwarten.«
Na, auf jeden Fall werden die Jungen was zu lachen haben, wenn ich ihnen davon schreibe, dachte Rilla. Jem wird sich totlachen über Sir Wilfrids Auftritt!
Doch wenn Rilla auch enttäuscht war über die Kriegshochzeit, so entsprach der folgende Morgen, als es für Miranda hieß, von ihrem Bräutigam auf dem Bahnhof Abschied zu nehmen, ganz ihren Vorstellungen. Die Morgendämmerung schimmerte so weiß wie eine Perle und so klar wie ein Diamant. Die jungen Tannen hinter dem Bahnhof waren von Raureif überzogen. Der kalte Mond hing über den Schneefeldern im Westen, während die goldenen Strahlen der aufgehenden Sonne die Ahornbäume von Ingleside umsäumten. Joe nahm seine kleine blasse Braut in die Arme und sie sah zu ihm auf. Rilla musste plötzlich schlucken. Was machte es schon, wenn Miranda ein unbedeutendes, langweiliges Mädchen war. Was machte es schon, wenn sie die Tochter von Mondgesicht-mit-Schnauzbart war. Das zählte doch nicht im Vergleich zu dem hingerissenen, aufopferungsvollen Blick in ihren Augen - diesem immer währenden Feuer der Liebe und Treue und dem Mut, Joe ohne Worte das Versprechen zu geben, dass sie und tausende von anderen Frauen zu Hause auf sie warten würden, während ihre Männer an der Westfront die Stellung hielten.
Rilla machte kehrt, als sie merkte, dass es nicht richtig war, in so einem Augenblick zu spionieren. Sie ging bis zum Ende des Bahnsteigs, wo Sir Wilfrid und Monday hockten und sich gegenseitig musterten.
Sir Wilfrid schien zu bemerken: »Warum lungerst du in dieser alten Hütte herum, wo du es dir vor dem Kamin von Ingleside bequem machen und in Saus und Braus leben könntest? Spielst du Theater? Oder ist das eine fixe Idee von dir?« Darauf Mondays knappe Antwort: »Ich habe eine Verabredung.«
Als der Zug abgefahren war, ging Rilla wieder auf die zitternde Miranda zu.
»Jetzt ist er fort«, sagte Miranda, »und kommt womöglich nie mehr wieder. Aber ich bin seine Frau und ich will seiner würdig sein. Ich gehe jetzt nach Hause.«
»Willst du nicht lieber mit zu mir kommen?«,
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