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Der Weg ins Glueck

Titel: Der Weg ins Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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gerechnet, seit Kerenski geheiratet hätte.
    »Es liegt mir fern, den heiligen Stand der Ehe zu verunglimpfen, liebe Frau Doktor, aber ich finde, wenn ein Mann eine Revolution führt, dann hat er doch damit genug zu tun und sollte sich eine passendere Gelegenheit für seine Hochzeit aussuchen. Diesmal sind die Russen erledigt, da brauchen wir uns gar nichts vorzumachen. Aber habt ihr Woodrow Wilsons Antwort auf das Friedensangebot des Papstes gelesen? Einfach herrlich! Ich hätte den wahren Sachverhalt auch nicht besser ausdrücken können. Ich kann Wilson wirklich alles verzeihen. Er kennt sich aus mit Wörtern, darauf könnt ihr euch verlassen. Apropos - kennen Sie schon die neueste Geschichte von Mondgesicht-mit-Schnauzbart, liebe Frau Doktor? Der ist doch neulich in der Schule drüben an der Lowbridge Road gewesen und hatte sich in den Kopf gesetzt, die vierte Klasse in Rechtschreibung zu prüfen. Bei denen da drüben ist noch Sommersemester, müssen Sie wissen, mit Frühjahrs- und Herbstferien. Naja, die Leute da drüben sind eben ziemlich zurückgeblieben. Meine Nichte Ella Baker geht da in die Schule und von ihr weiß ich diese Geschichte. Der Lehrerin ging’s nicht gut, sie hatte schreckliche Kopfschmerzen, und deshalb ging sie raus, um frische Luft zu schnappen. Währenddessen hat Mr Pryor die Klasse übernommen. Mit der Rechtschreibung kamen die Kinder ganz gut zurecht, aber als Schnauzbart damit anfing, sie nach der Bedeutung der Wörter zu fragen, da mussten sie passen, weil sie die noch nicht gelernt hatten. Ella und die anderen Schüler, die etwas besser sind, waren ganz geknickt deswegen. Sie hängen sehr an ihrer Lehrerin. Mr Pryors Bruder Abel Pryor ist Verwalter an der Schule und kann die Lehrerin nicht leiden; immer wieder versucht er die anderen Verwalter gegen sie aufzuhetzen. Ella und die anderen hatten jetzt Angst, Schnauzbart könnte die Lehrerin für unfähig erklären, weil die vierte Klasse die Wörter nicht verstand, und das vielleicht Abel weitersagen, und das käme dem gerade recht. Doch dann hat der kleine Sandy Logan die Lage gerettet. Er ist zwar aus dem Heim, aber er ist ein aufgeweckter Junge und hat es gleich mit Schnauzbart aufgenommen. »Was bedeutet das Wort Anatomie?«, wollte Schnauzbart wissen. »Bauchschmerzen«, antwortete Sandy wie aus der Pistole geschossen und ohne mit der Wimper zu zucken. Mondgesicht-mit-Schnauzbart ist selber nicht der Gescheiteste, liebe Frau Doktor; jedenfalls wusste er selber nicht, was das Wort bedeutet, und sagte deswegen »sehr gut, sehr gut«. Die Klasse kapierte sofort - oder wenigstens drei oder vier von den Schlaueren -und machte sich einen Spaß daraus. Jean Blane zum Beispiel sagte auf die Frage, was akustisch heißt: eine religiöse Rauferei. Und Muriel Baker behauptete, ein Agnostiker wäre einer, der Verdauungsstörungen hat, und Jim Carter sagte, Akribie hieße das, wenn man nichts isst außer Obst und Gemüse, und so weiter und so fort. Schnauzbart hat das alles geschluckt und immer bloß gesagt: »Sehr gut, sehr gut.« Ella konnte sich kaum noch beherrschen. Als die Lehrerin hereinkam, lobte Schnauzbart sie und sagte, er müsse staunen, wie intelligent ihre Schüler seien, und er müsse unbedingt den Verwaltern sagen, was für ein Juwel sie sei. Er fände es »sehr ungewöhnlich, dass eine vierte Klasse so prompte Antworten geben könne. Er strahlte übers ganze Gesicht, als er ging. Ella hat mir das übrigens als streng geheim anvertraut, liebe Frau Doktor, also müssen wir das dieser Lehrerin zuliebe für uns behalten. Ihre Chancen, an der Schule zu bleiben, wären wahrscheinlich dahin, wenn Schnauzbart dahinter käme, dass sie ihn hereingelegt haben.«
    Am Nachmittag kam Mary Vance nach Ingleside und teilte ihnen mit, dass Miller Douglas beim Ansturm der Kanadier auf Hügel 70 so schwer verwundet worden sei, dass sein Bein amputiert werden müsse. Alle hatten Mitleid mit Mary, auch wenn es bei ihr ziemlich lang gedauert hatte, bis sie sich vom Arbeitseifer und Patriotismus der anderen hatte anstecken lassen.
    »Einige Leute haben mich ausgelacht, weil ich jetzt einen Mann mit nur einem Bein habe. Aber«, sagte sie und hob stolz den Kopf, »mir ist Miller mit einem Bein lieber als jeder andere Mann auf der Welt mit noch so vielen Beinen. Mit einer Ausnahme vielleicht«, fügte sie nachdenklich hinzu, »Lloyd George. So, ich muss gehen. Ich dachte, es interessiert euch zu hören, wie’s Miller geht, deswegen bin ich vom Geschäft

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