Der Weg nach Xanadu
selbst zu verbergen. Seit dreiunddreißig Jahren, erklärte ich
der Spinne, die gerade im Begriff war, sich von der Decke in Richtung meiner
Nase abzuseilen, hatte sich an der vorhersehbaren Vergeblichkeit meiner
Verliebtheiten, nein, sagen wir es angesichts dieses beinahe therapeutischen
Settings ruhig klinisch, an der Wiederholungsstruktur meiner Objektwahl nicht
das geringste verändert.
Als Reaktion auf diese Einsicht
kletterte die Spinne auf ihrem wäscheleinendicken Faden wieder zehn Zentimeter
nach oben, weshalb ich mich von meinem Lager erhob, zumindest hob ich den
Oberkörper, denn aufstehen machte nur Sinn, wenn ich mich entleeren, duschen
oder übergeben wollte, denn wer verharrt schon gern aufrecht und ohne Grund
zwischen einem eisernen Bettrand und einer Preßspanplattentür auf einer Fläche,
die sich zu einem Fußabstreifer verhält wie ein Radieschenbeet zu einer
viktorianischen Gartenanlage. Was mache ich eigentlich hier? Bin ich noch bei
Trost? Was bringt mich dazu, nur, weil ich von einem Zimmer träume, das ich
irgendwie in Verbindung bringe mit einem seit hundertsechzig Jahren in seiner
verdammten geweihten Highgate-Erde verfaulenden Dichter, und weil mir eine
schöne bleiche weibliche Person, von der ich nicht aufhören kann zu denken, daß
sie meine Tochter sein könnte, vorgaukelt, mich zu mögen, und ich deshalb
gleich ihren Rat, hierherzufahren, befolge, obwohl doch selbst einem Toren wie
mir klar sein müßte, daß ihr Beharren auf meiner Reise nur ein Vorwand war,
eine gefinkeltere, gnadenreichere Art, mich loszuwerden.
Selbst wenn dieses Zimmer
tatsächlich mit Coleridge zu tun haben sollte, ja sogar dann, wenn sein Gemäuer
immer noch existieren sollte, wie konnte ich all mein Handeln der
Unwahrscheinlichkeit unterordnen, es zu finden? Angesichts der Plastizität der
Traumszenen, der bis ins letzte Detail identischen Wiederkehr von Tisch, Bett,
Sessel, Kamin, Fensterrahmen — welche obskuren Gefühlszustände ließen mich der
Illusion verfallen, all diese vergänglichen Gegenstände befänden sich nach
zweihundert Jahren in unverändertem Zustand am unveränderten Ort?
Das heißt, selbst wenn ich dank
einer Serie von Zufällen tatsächlich diesen Raum betreten sollte, welche
Anhaltspunkte hätte ich, ihn zu erkennen? Woran sollte ich mich halten? An den
trapezförmigen Grundriß, an die Raumhöhe, die Mikrostruktur von Wänden und
Decke?
Bin ich, wenn man all das
abwägt, etwa gesünder oder gar vernünftiger als eine dieser bemitleidenswerten
Existenzen, die eine tief unter der Erinnerungsfähigkeit begrabene Ursache dazu
zwingt, ihre Scheiße im Kleiderschrank aufzubewahren, Katzen in die Waschmaschine
zu stecken oder unentwegt vor Marienstatuen Vaterunser aufzusagen?
Erst als der Nachbar an die
Wand klopfte, sah ich ein, daß es nicht wirklich ratsam ist, in aus Pappe
gefalteten Wohncontainern laut mit einer Spinne zu sprechen. Und als ich —
endlich still — auch noch ein befremdendes Ticken vernahm, das garantiert nicht
von der Radiowecker-Attrappe auf meinem Nachtkästchen stammen konnte, war ich
darüber hinaus auch noch überzeugt davon, daß es noch viel weniger ratsam ist,
in als Pensionen getarnten Überwachungsanstalten des staatlichen Instituts für
mentale Gesundheit, das natürlich eng mit der Anti-Raucher-, Anti-Völlerei- und
Anti-Trinker-Liga zusammenarbeitet, laut mit einer Spinne zu sprechen. Ich
lehnte eines der brettartigen Handtücher vor die hinter dem Spiegel versteckte
Videokamera, damit ich zumindest eine Nacht lang sicher war. Die Spinne ließ
ich in den Zahnputzbecher kriechen, auf dessen Grund Zahnpastareste aparte
grüngraue Reliefs gebildet hatten, die ihrer — der Spinne — Vorliebe für Hügel
sicher entgegenkamen, und warf sie aus dem Fenster auf den als Rasen getarnten
Rauchmelder. Vielleicht sollte ich auch einen Berg besteigen.
Vier »Sie können«, sagte die Frau in der moosgrünen Tracht des National Trust, »hier
nicht herein ohne Führung.« Ich ließ mich auf keinen Disput ein, die Gestalt im
Türrahmen des Dove Cottage war einen Kopf größer als ich, und ihre Oberarme
warfen baumstammdicke Schatten auf den Steinfußboden. Unter der Anstecknadel
mit den Eicheln trug sie ein Namensschild. Janet. »Ich lasse mich«, sagte ich,
bereit, in ihrem Windschatten durch das Anwesen zu treiben, »in Ausnahmefällen
gerne führen.« Wie hoch denn der Preis für das Geführtwerden sei. Sie kassierte
die fünf Pfund sofort, sagte »hier
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