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Der Weg: Wenn Gott Dir eine zweite Chance gibt (German Edition)

Der Weg: Wenn Gott Dir eine zweite Chance gibt (German Edition)

Titel: Der Weg: Wenn Gott Dir eine zweite Chance gibt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Paul Young
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Foto.
    »Vielfraß«, sagte Tony in resigniertem Tonfall, da nun seine Anwesenheit verraten war.
    »Affengeil!«, quietschte Cabby. Er schaukelte vor und zurück und hielt sich die Hand vor den Mund.
    »Cabby?«, rief seine Mutter aus dem anderen Zimmer. »Was habe ich dir gesagt? Nicht dieses Wort! Okay?«
    »Okay!«, rief er zurück und ließ sich aufs Bett fallen. Prustend vor Lachen und Freude vergrub er seinen Kopf im Kissen. »Affengeil!«, flüsterte er.
    Er setzte sich auf, öffnete das Buch erneut, und diesmal tippte er langsam und entschlossen mit dem Finger auf das Bild. Jedes Mal wenn er das tat, sagte Tony: »Vielfraß!«, und Cabby kicherte wieder prustend in sein Kissen.
    Er stand vom Bett auf, schaute darunter, um sich zu vergewissern, dass sich dort niemand versteckte. Er schaute in den Kleiderschrank. Er spähte sogar zögernd hinter seine Kommode. Schließlich stand er mitten im Zimmer und sagte laut: »Keiner da.«
    »Brauchst du etwas, Cabby?«, rief seine Mutter.
    »Cabby, ich mache es noch einmal, aber schsch«, sagte Tony.
    »Nö!«, rief Cabby seiner Mutter zu, und dann flüsterte er: »Affengeil!« Wieder bog er sich vor Lachen.
    Tony musste ebenfalls lachen, angesteckt von der Freude des Jungen über dieses ungewöhnliche Abenteuer.
    Cabby unterdrückte sein Kichern, so gut es ging, und hob sein Hemd hoch, um darunter nach der geheimnisvollen Stimme zu suchen. Er untersuchte seinen Bauchnabel und wollte gerade die Hose herunterlassen, als Tony sprach.
    »Cabby, nicht. Ich bin nicht in deiner Hose. Ich bin …« Er suchte nach den richtigen Worten. »Ich bin in deinem Herzen, ich kann durch deine Augen sehen und ich kann in deinen Ohren mit dir reden.«
    Cabby hielt sich die Hände vor die Augen. »Okay, jetzt kann ich nichts mehr sehen«, sagte Tony. Immer wieder bedeckte Cabby seine Augen und nahm die Hände weg, wobei Tony jedes Mal rückmeldete, ob er etwas sehen konnte oder nicht. Wie es schien, hätte dieses Spiel endlos weitergehen können, doch dann hielt Cabby inne und ging zu seinem Wandspiegel. Er hielt sein Gesicht dicht davor und schaute tief in seine eigenen Augen, als könnte er die Stimme dort sehen. Er schürzte die Lippen, trat einen Schritt zurück, betrachtete sich im Spiegel, legte beide Hände auf die Brust und sagte laut: »Cabby.«
    »Cabby«, begann Tony, »mein Name ist To-ny! To-ny!«
    »Too-ny.« Cabby nuschelte es ziemlich undeutlich, aber er hatte den Namen offensichtlich verstanden. Und dann folgte etwas für Tony völlig Unerwartetes. Ein strahlendes, breites Lächeln erschien auf Cabbys Gesicht. Er legte beide Hände über sein Herz und sagte sanft: »Too-ny … Freund!«
    »Ja, Cabby«, erklang die Stimme in ihm. »Tony und Cabby sind Freunde.«
    »Jaaaa!«, rief der Junge und hob die Hand für einen High five. Als ihm klar wurde, dass niemand da war, schlug er gegen die unsichtbare Hand der unsichtbaren Stimme. Dann kam wieder etwas Unerwartetes: Cabby schaute in den Spiegel und fragte auf seine nuschelnde, stockende Art: »Too-ny hat Cabby lieb?«
    Diese einfache Frage stürzte Tony in Verwirrung. Hatte er Cabby lieb? Er kannte ihn ja kaum. Wusste er denn überhaupt, wie man liebt? Hatte er je wirkliche Liebe kennengelernt? Und wenn nicht, wie sollte er sie dann erkennen, wenn sie ihm begegnete?
    Der Junge wartete mit nach oben gerichtetem Gesicht auf eine Antwort.
    »Ja, ich habe dich lieb, Cabby«, log Tony. Sofort spürte er Cabbys Enttäuschung.
    Irgendwie wusste Cabby, dass es nicht stimmte. Er senkte den Blick, doch seine Enttäuschung hielt nicht lange an. Er blickte wieder hoch und nuschelte etwas, was wie »Kommoch« klang.
    »Wie bitte?«, fragte Tony.
    »Komm noch«, wiederholte Cabby, um Deutlichkeit bemüht.
    Jetzt dämmerte Tony, was der Junge meinte. »Kommt noch.« Dass Tony Cabby liebte, würde noch kommen. Eines Tages. Er hoffte, dass Cabby recht hatte. Vielleicht wusste der Junge Dinge, von denen Tony nichts ahnte.
    Sie kamen in das Klassenzimmer, wo Cabby, und damit auch Tony, den größten Teil des Tages verbringen würde. Es befand sich auf dem Gelände einer Highschool, lag aber abseits vom Hauptgebäude, ein spezieller Lernbereich für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen, von denen hier etwa ein Dutzend betreut wurde. Es gab eine Menge Aufgaben zu bewältigen, und Tony staunte, was Cabby trotz seiner Behinderung zu leisten vermochte. Seine Lesefähigkeit lag auf Vorschulniveau, aber er konnte einfache Rechenaufgaben lösen.

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