Der Weg: Wenn Gott Dir eine zweite Chance gibt (German Edition)
sie einsilbig. »Frag nicht, trink das hier.«
Er trank, vorsichtig zunächst, doch seine Furcht, es könnte sich um eine übel schmeckende Arznei handeln, erwies sich als unbegründet. Die Aromen des Getränks breiteten sich wärmend in seiner Brust aus. Ein Gefühl tiefer Dankbarkeit durchströmte ihn.
»Auch das werde ich nicht beantworten«, kam sie seiner Frage zuvor. »Vertraue mir. Du würdest es nicht wirklich wissen wollen. Und erzähl mir nicht, dass ich einen Haufen Geld verdienen könnte, wenn ich dieses Getränk verkaufe.«
Er warf ihr einen schiefen Blick zu, verfolgte die Sache aber nicht weiter. Stattdessen fragte er: »Warum war ich denn dort und warum bin ich jetzt wieder hier?«
»Es gibt eine Menge Gründe dafür, dass du hier bist«, begann sie. »Papa tut niemals etwas aus nur einem Grund, und die meisten seiner Gründe wirst du niemals verstehen oder erkennen können. Das ist alles Teil des Schöpfungsgewebes.«
»Kannst du mir wenigstens einen dieser Gründe nennen?«
»Ein Grund, mein Liebling, war, dass du hören konntest, wie deine Mutter dir etwas vorsingt. Allein das war schon Grund genug.« Sie legte einen neuen Scheit ins Feuer und schob das Holz etwas hin und her, bis sie zufrieden war. Ihre Antwort setzte Tony zu, und die Gefühle überwältigten ihn wieder so stark, dass er für eine Weile keinen Ton herausbrachte.
»Ich muss zugeben«, sagte er schließlich, »dass es ein guter Grund war, allerdings sehr schmerzhaft.«
»Gern geschehen, Anthony.«
Eine Zeit lang schwiegen sie. Tony blickte ins Feuer. Großmutter rückte mit ihrem Stuhl näher heran, bis sie Tony schließlich berührte.
»Und warum bin ich jetzt hier und nicht dort?«
»Cabby schläft, und er möchte nicht, dass du in seine Träume hineinschaust«, sagte sie, als wäre das eine perfekt logische Erklärung.
»Er möchte es nicht?« Tony schaute Großmutter an. »Was meinst du damit? Wusste er denn, dass ich da war?«
»Sein Geist wusste es.«
Tony sagte nichts, hatte aber die Brauen gehoben, an die Frage denkend, von der er wusste, dass sie wusste, dass er sie stellen würde.
»Der Versuch, ein menschliches Wesen zu erklären«, sagte sie, »ein Wesen, das eine Einheit ist und sich doch aus Geist, Seele und Körper zusammensetzt, ist, als wollte man Gott erklären: Geist, Vater und Sohn. Verstehen kann man es nur durch Erfahrung und Beziehung.«
Er wartete und wusste nicht einmal, wie er die nächsten Fragen formulieren sollte.
Sie fuhr fort: »Cabby ist, wie du, ein Geist, der eine Seele durchdringt, die einen Körper durchdringt. Aber es ist nicht einfach eine Durchdringung. Es ist ein Tanz, ein gemeinschaftliches Zusammenwirken.«
»Danke.« Er lehnte sich zurück und nahm noch einen Schluck von dem Getränk, ließ es langsam die Kehle hinuntergleiten, um die wohltuende Wirkung zu genießen. »Wirklich hilfreich, Großmutter.«
»Auch Sarkasmus hat seinen Ursprung in Gott. Kleiner Hinweis am Rande!«
Tony lächelte. Großmutter verzog keine Miene. Offenkundig wollte sie ihn beeindrucken, und das gelang ihr auch. »Okay, probieren wir es noch einmal. Du sagst, er möchte es nicht?«
»Anthony, wie bei dir ist auch Cabbys Körper beschädigt und seine Seele schwer belastet, aber dennoch ist sein Geist lebendig und wohlauf. Doch obwohl er lebendig und wohlauf ist, steht Cabbys Geist in Beziehung zu den geschädigten und belasteten Teilen seiner Person, seiner Seele und seines Körpers. Solche Dinge kann man mit Worten manchmal nur sehr unzureichend kommunizieren. Wenn ich von ›seinem Körper‹ oder ›seiner Seele‹ oder ›seinem Geist‹ spreche, klingt das, als handele es sich dabei um Einzelteile, die euch gehören. Viel besser ist es, wenn du dir vorstellst, dass du dein Körper ›bist‹, deine Seele ›bist‹, dein Geist ›bist‹. Du bist ein durchdrungenes und durchdringendes Ganzes, eine Einheit in Vielfalt, aber vom Wesen her ein Einssein.«
»So richtig schlau werde ich aus alledem nicht. Ich glaube dir, aber ich habe im Grunde keine Ahnung, was ich da eigentlich glaube. Ich spüre das, was du sagst, mehr, als dass ich es begreife.« Nach einer kurzen Pause fügte Tony hinzu: »Er tut mir einfach nur leid.«
»Cabby? Das Gleiche hat er über dich gesagt.«
Tony war überrascht.
»Ja. Aber du brauchst ihn nicht zu bemitleiden. Seine Beschädigung ist lediglich offensichtlicher als deine. Er trägt sie außen, für alle sofort erkennbar, während du deine vor der Welt
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