Der Weg: Wenn Gott Dir eine zweite Chance gibt (German Edition)
was ihm in dieser Zwischenwelt gesagt wurde. »Jack, ich möchte Sie etwas fragen, wenn ich darf.« Er wedelte mit der Gabel spiralförmig in Richtung seines Gegenübers, um seiner Frage Nachdruck zu verleihen. »Ist dieser Ort, wo wir beide uns gerade befinden, das Jenseits, ich meine, das Leben nach dem Tod?«
»Oh, um Himmels willen nein!« Jack schüttelte den Kopf. »Das hier ist eher das Innenleben. Doch selbstverständlich existiert es nicht losgelöst von dem, was Sie als das Jenseits betrachten, was aber, wie Sie richtig bemerkten, unbedingt auch Leben ist.«
Tonys Gabel schwebte bewegungslos in der Luft, während er sich bemühte, dem Gesagten zu folgen.
»Gegenwärtig stecken Sie sozusagen fest zwischen dem Leben davor und dem Leben danach, und die Brücke dazwischen ist das Innenleben, das Leben Ihrer Seele.«
»Und wo leben Sie , Jack?«
»Nun, ich lebe dort, wo ich gerade bin, aber mein Wohnort ist das Jenseits, das Leben danach. Mein guter Junge, hier bei Ihnen, in Ihrer Zwischenzeit, bin ich nur zu Besuch.«
Tony kaute sein Essen, schmeckte es aber kaum, weil die Gedanken in seinem Kopf wild durcheinanderwirbelten. »Und das Jenseits, also das Leben danach – wie ist es dort?«
»Na, wenn das keine Frage ist!« Jack lehnte sich im Sessel zurück, zog geistesabwesend an seiner immer noch glimmenden Pfeife, die er aus der Brusttasche gezogen hatte. Dann steckte er die Pfeife in ihr Nest zurück und erwiderte Tonys Blick. Während er sprach, ließ er den Rauch zwischen seinen Lippen hervorströmen.
»Sie fragen mich etwas, das man eigentlich nur durch Erfahrung wissen kann. Welche Worte würden schon genügen, die Gefühle der ersten Liebe zu beschreiben, oder einen unerwarteten Sonnenuntergang, den Duft von Jasmin, Gardenie oder Flieder, den Moment, wenn eine Mutter zum ersten Mal ihr Baby in den Armen hält, ein Musikstück von transzendentalem Zauber, wie es ist, auf dem Gipfel eines Berges zu stehen, den Sie zum ersten Mal bezwungen haben, oder frischen Honig zu kosten … während der ganzen Menschheitsgeschichte haben wir nach Worten gesucht, die das, was wir wissen, mit dem verknüpfen, wonach wir uns sehnen, doch was bringt es uns? Kurze Blicke durch ein trübes Glas, hinter dem wir nur rätselhafte Umrisse erkennen können.«
Er ließ den Blick durchs Zimmer schweifen. »Hier, ich möchte es Ihnen an einem Beispiel zeigen.« Jack ging zu der Kommode am Fenster, auf der unter anderem ein Blumentopf stand, in dem eine verblüffend farbenfrohe Tulpe blühte. Er holte die Pflanze und setzte sich wieder in seinen Sessel. Er zog die Pflanze aus dem Topf und entfernte sorgfältig alle Erde, bis schließlich die Zwiebel und der Stiel freigelegt waren. Er tat das sehr behutsam, wollte offenbar der Pflanze keinen Schaden zufügen.
»Das ist eine Papageientulpe«, erklärte er. »Sie wurde in Ihrem eigenen Garten gezogen. Beachten Sie«, er beugte sich näher zu Tony heran, »ihre außergewöhnlichen Blütenblätter. Sie sind fast wie Vogelfedern geformt, mit ausgefransten Rändern und einer großen Farbenvielfalt: Gold, Apricot und Blauviolett. Sehen Sie! Hier gibt es sogar kleine Schluchten aus Grün, die zwischen den Gelbtönen hindurchlaufen. Prachtvoll!
Und nun, Tony, schauen Sie sich die Tulpenzwiebel an, von der diese herrliche Blüte produziert wurde. Sie sieht aus wie ein altes Stück Holz oder ein Dreckklumpen, etwas, das man wegwerfen würde, wenn man es nicht besser wüsste. Diese Zwiebel ist wirklich kein schöner Anblick, nichts, was unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht, ganz und gar gewöhnlich. Diese Wurzel, Tony« – Jack sprach lebhaft, während er die Blume vorsichtig wieder in den Topf pflanzte, die Zwiebel sorgfältig mit Erde bedeckte – »diese Wurzel ist das Leben davor. Es ist alles, was Sie kennen und erleben, und doch ist es aufgeladen mit der Ahnung von etwas anderem, etwas Größerem. Und in allem, was Sie im Leben davor kennen und erleben, finden Sie Hinweise auf die spätere Blume: in Musik und Kunst und Geschichten und Familienleben und Lachen und Entdeckungen und Fortschritt und Arbeit und Gegenwart. Aber wenn Sie nur die Wurzel gesehen haben, können Sie sich dann das Wunder der Blume auch nur annähernd vorstellen? Tony, es wird für Sie der Moment kommen, wo Sie endlich die Blume sehen, und in diesem Moment wird die Wurzel, ausnahmslos alles an ihr, Ihnen perfekt und absolut sinnerfüllt erscheinen. Dieser Moment ist das Jenseits, das Leben
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