Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
Eltern, wenn diese in eine Richtung weisen, die wir eigentlich nicht einschlagen wollen. »In der Kindheit wird ein Eimer Farbe über dich geschüttet, und diese tropft lebenslang an dir herunter«, umschrieb ein Freund einmal den Umstand, dass wir das Fühlen, Denken und Handeln unser ersten Bezugspersonen auch dann nicht einfach abschütteln können, wenn deren Lebensmodelle unseren eigenen Vorstellungen zuwiderlaufen. Um im Bild zu bleiben, können wir zwar aus einer breiten Farbpalette wählen, der erzielte Farbton hängt jedoch von unserer hellen oder dunklen Gefühlsgrundierung ab. In welchem Maße auch genetische Programmierungen »Sonntagskindern« zur Leichtigkeit des Seins verhelfen und Melancholikern bleierne Zeiten bescheren, ist eine Frage, die Hirnforscher und Mediziner beschäftigt, ungeachtet dessen, dass ihre Forschungsergebnisse sich im persönlichen Glücksstreben nur bedingt umsetzen lassen.
Angesichts der vielfachen Störungen in Partnerschaften und Familien und den Abstufungen schwarzer Pädagogik in Eltern-Kind-Beziehungen bezweifeln nicht wenige Psychologen, ob wir überhaupt die Eignung haben, ab und zu einen Zipfel vom Paradies zu erwischen. Sigmund Freuds deprimierende Verzichtserklärung »Die Absicht, dass der Mensch glücklich sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten« 4 , schließen sich etliche Seelenexperten an, auch wenn Eltern (und Lehrer) heute nicht mehr die Autoritäten sind, deren gefürchtete Übergröße einst jede heitere Gelassenheit im Keim erstickte.
In dem 1991 erschienenen Buch »Immer Probleme mit den Eltern« schildert Barbara Dobrick anhand von Selbstaussagen erwachsener Kinder familiäre Beziehungsgeflechte. Erschreckt habe sie das Ausmaß an Kummer, bilanziert die Autorin. Bedauern über äußerlich wie innerlich abwesende Väter durchzieht ihre Interviews. Töchter und Söhne leiden unter vereinnahmenden Müttern, die verpasste Berufschancen kompensieren, indem sie zu Hause das Zepter schwingen. Sogar die Reihenfolge beim Auswickeln von Weihnachtsgeschenken sei festgelegt, erzählt ein 22 -Jähriger. »Wenn meine Mutter sagt, unser Verhältnis sei gut, dann meint sie das Verhältnis zu dem Rest von mir, der nach ihren inneren Streichungen übriggeblieben ist«, klagt eine Studentin. Resigniert schildert eine 41 -Jährige, dass ihre Mutter sich nur um die eigene Achse drehe. »Ich habe nie das Gefühl, es geht auch um mich. Sie überschüttet mich mit ihren Problemen, zieht mich in ihr Leben hinein.« 5
Doch nur selten kommt es zum Bruch. Im Wechselspiel von Sehnsucht und Enttäuschung erweisen sich fatalerweise Vorwürfe als besonders haltbarer Kitt. In der Hoffnung, Eltern zu Einsichten zu bewegen und Versäumtes nachzuholen, bleiben vor allem emotional zu kurz gekommene Kinder auf Eltern bezogen. Ihr Kampf um vorenthaltene Liebe drücke sich oft im ständigen Beweis aus, was in ihnen steckt, beobachtet Annemarie Kühnen-Hurlin, Leiterin des Bereichs Freizeit, Bildung, Beratung in der Berliner Fürst-Donnersmarck-Stiftung: »Ich kenne Menschen, die alles, was sie im Leben anpacken, mit dem Ziel tun, dass ihr Vater sie anerkennt. Sie strengen sich an, rackern sich ab, aber immer reicht es nicht, nie sind sie mit sich zufrieden. Ihre Wunde ist, nicht gesehen zu werden. Früher zeigten sie dem Vater ein selbstgemaltes Bild. Heute ist es das Haus oder das große Auto. Der Vater sagt: ›Aha!‹ Und geht drüber weg.«
Auch aufopfernde Pflichterfüllung kann ein Mittel sein, Eltern Zuneigung und Dankbarkeit zu entlocken. Doch solange es die Hauptmotivation ist, endlich gelobt und wertgeschätzt zu werden, zementieren Töchter und Söhne kindliche Abhängigkeitsverhältnisse und verhindern eine Begegnung »auf Augenhöhe«, nach der sich erwachsene Töchter und Söhne häufig vergeblich sehnen. 6
Das Bedauern, nicht genügend wahrgenommen worden zu sein, klingt in etlichen meiner Gespräche an. Während einige InterviewpartnerInnen beklagen, dass Eltern ihren ungestillten Ehrgeiz auf sie verlagerten, schildern andere, von den Eltern klein gehalten und kleingemacht worden zu sein. Dass vorrangig Müttern wenig Verständnis und Wärme attestiert wird, erklärt sich vermutlich dadurch, dass die Mehrzahl meiner GesprächspartnerInnen zur Nachkriegsgeneration gehört. Sie wuchsen auf in einer Zeit, in der Johanna Haarers Erziehungsratgeber Eltern aufrüstete und Mütter eisern pädagogische Leitsätze beherzigten wie: »Wenn das Kind schreit, dann liebe Mutter
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