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Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Titel: Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina von Kleist
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können, was einen stört. Aber die Liebe muss größer sein als der Ärger«, wirbt die tschechische Kindertherapeutin Jirina Prekop 11 für eine Streitkultur, die Differenzen klärt und nicht bezweckt, den Partner für eigene Anliegen gefügig zu machen. Während Machtkämpfe sich um Sieg oder Niederlage drehen, und der Scherbenhaufen blindwütiger Zerwürfnisse kaum mehr zu kitten ist, vermeiden konstruktive Auseinandersetzungen, dass einer der Involvierten das Gesicht verliert.
    Von der Fähigkeit, die eigenen Gefühle und die des Partners zu lesen, hänge das Niveau von Auseinandersetzungen und damit das Gelingen oder Scheitern einer Beziehung ab, bilanziert Heiko Ernst, Chefredakteur von Psychologie Heute, das Ergebnis zahlreicher Forschungsprojekte. Glückliche Paare achten genauer als unglückliche Paare auf Affekte und schaffen es, Disputen die Spitze zu nehmen und einzulenken, bevor ein Streit aus dem Ruder läuft. »Emotional intelligente Streiter kennen die Wenn-dann-Abfolgen von Auslösern, Emotionen und Gegenemotionen: Sie können vorhersehen, welche Worte welche Widerworte nach sich ziehen und welche Gefühlskaskade dann möglicherweise ihren verheerenden Lauf nimmt. Vor allem können sie ihre eigenen Gefühlsaufwallungen, ihre »gemischten Gefühle« besser differenzieren: Was ist Wut oder Hass, was ist Enttäuschung, Scham oder Selbstmitleid? Unglückliche Paare hingegen missinterpretieren häufig Gefühlssignale, verwechseln beispielsweise Fröhlichkeit mit Gleichgültigkeit oder maßen sich an, die Gefühle des anderen umzudeuten, zum Beispiel, indem sie dem Partner vorwerfen: »Du bist ja bloß neidisch!«, während er tatsächlich traurig ist. 12
    Dass in früheren Generationen Paare durchaus glücklich verheiratet waren, ohne der Innenschau viel Platz einzuräumen, widerlegt allerdings die Schlussfolgerung, dass der Austausch von Gefühlen die unverzichtbare Grundlage einer guten Partnerschaft ist. Sosehr das Miteinander-Reden Beziehungen festigt, eine ständige Nabelschau zehrt Ehen aus. Wie es auch mancher Partnerschaft den Todesstoß versetzt, dass die optimale Selbstentfaltung zum Qualitätsmaßstab erhoben wird.
    Weit mehr als heute wurden Paare einst zusammengeschmiedet durch wirtschaftliche Zwänge, Konvention, Moral, Kindersegen und beengte räumliche Verhältnisse. Pflichten prägten den Alltag. Die Kalkulation, wie viel Glück dabei heraussprang, kam Paaren kaum in den Sinn. »Man nahm sich nicht so wichtig«, beschreibt die über 80 -jährige Stiftsdame Ruth W. in unserem Gespräch eine unangefochtene Gesellschafts- und Familienordnung, in der Selbstverwirklichung ein Fremdwort war. Zu welchem Preis Frauen und Männer sich Rollenmustern beugten, lassen die Fotos verhärmter Gestalten erahnen, die in Buch- und Schreibwarenläden als Juxkarten verhökert werden. Auch die Doppelmoral erblüht auf dem Nährboden strenger Sitten. Doch die geringere Wahlmöglichkeit ersparte Paaren auch, das Für und Wider ihrer Ehe ständig unter die Lupe zu nehmen, und band sie ein in gemeinsame Aufgaben, an deren Sinn kein Zweifel bestand.
    Die zunehmende gesellschaftliche Toleranz für individuelle Lebensmodelle vergrößert zweifellos die Chance, allein und zu zweit sein eigenes Glück zu schmieden. Wie nie zuvor besteht jedoch auch die Gefahr, dass Partner ihre Beziehung mit Blütenträumen, Zumutungen und Alleingängen überfrachten. Das häufig eigene Zimmer, das Medienangebot und virtuelle Welten sind leicht erreichbare Rückzugsorte, in denen sich Partner verschanzen können. Der Anspruch auf Glück und Selbstbestimmung senkt die Bereitschaft, auch schwierige Zeiten miteinander durchzustehen, und verführt Paare dazu, das Heil schnell woanders zu suchen, nicht selten mit dem unhappy end, dass die Ehe zerbricht und die heiße Romanze sich als Strohfeuer entpuppt. »Heute wird die Liebe probiert. Man rechnet mit ihrem Scheitern. Dabei sollte man mit voller Kraft hineingehen« 13 , relativiert Jirina Prekop den Gewinn einer Freiheit, die auch Hingabe, Langmut und Reife verhindert, weil sie Partnern erlaubt, vor mühseliger Vertiefung auszuweichen und in flachere Gewässer zu flüchten.
    Manchmal freilich erlöst die Einsicht, dass das Ringen um eine verblasste Liebe nichts bringt als Kräfteverschleiß. »Ich habe viel Energie in die Illusion gebuttert: Er wird sich mitentwickeln mit mir. Es ist jedoch so: Keiner entwickelt sich mit, man entwickelt sich allenfalls für sich«, skizziert meine

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