Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
heraus und wir lieben sie in ihn hinein, analysieren Psychologen das Doppelgesicht der Liebe, die schlummernde Talente weckt, aber auch zu Wunschprojektionen verleitet. Seit Jahrtausenden darauf geeicht, ihren Lebenssinn vorrangig aus Ehe, Familie und der Pflege persönlicher Beziehungen zu schöpfen, neigen besonders Frauen zu romantischer Verklärung. »Man ist froh, dass man endlich begeistert lieben kann«, schildert eine Interviewpartnerin, Jana L., die Sehnsucht nach dem ozeanischen Gefühl, das dazu verführen kann, sich ein Rinnsal zum reißenden Strom schönzureden.
In seiner Praxis auf Partnertherapie spezialisiert und Sachbuchautor zum Thema Liebe, Leidenschaft und Leid, beleuchtet Dr. Wolfgang Krüger die Erwartungen von Frauen und Männern aneinander, deren (häufig) geschlechtsspezifische Abweichung im Stadium der Verliebtheit meist ausgeblendet werden: »Die meisten Menschen, die ich kenne, bringen Glück in Verbindung mit Liebe. Frauen bringen darüber hinaus Glück in Verbindung mit gemeinsamen Erlebnissen mit den Kindern und mit Nähe in der Partnerschaft, wobei letzteres häufig für Männer ein Rätsel ist. Männer hegen oft Versorgungswünsche. Hauptsache, das Zuhause funktioniert, dann können sie sich dem Eigentlichen widmen. Für Männer ist Glück oft mit beruflichem Erfolg verbunden.« Wird Trennendes irgendwann sichtbar, erfolgt eine Desillusionierung, die Paar-Spezialisten als heilsamen Ernüchterungsprozess bezeichnen. Denn nun zeigt es sich, ob die Verliebtheit auf Sand gebaut war, ob die himmlische Romanze am irdischen Alltag zerbricht oder zur Liebe für den realen Partner mit all seinen Schönheitsfehlern reift.
Die Scheidung jeder dritten Ehe gibt Auskunft über die Metamorphose der einst reizvollen Gemeinsamkeit. Weniger offensichtlich ist das Verhältnis von Glück und Unglück bei Paaren, die zusammenbleiben. Dass Männer generell mit ihrer Ehe zufriedener sind, fand eine aktuelle Umfrage heraus. Während 50 Prozent der Ehefrauen meinten, sie würden ihren Mann nicht noch einmal heiraten, äußerten nur 20 Prozent der Männer, dass sie rückblickend eine andere Wahl träfen. 9
Wie der Psychoanalytiker Michael Lukas Moeller in »Die Wahrheit beginnt zu zweit« darlegte, unterscheiden sich glückliche Paare von unglücklichen Paaren durch die Intensität der Gespräche: »Sie reden nicht nur, weil sie glücklich sind. Vielmehr werden sie glücklich, weil sie reden.« 10 Folglich ziehe das Unglück in Partnerschaften vor allem in Form des mangelnden Austausches ein. Hauptsächlich Frauen monieren die Verschlossenheit ihres Partners. Mancher Streit entzündet sich daran, dass sie dessen Wortkargheit zu Hause als Desinteresse deuten, wohingegen Männer sich wundern, weshalb sie um Himmels willen jede Seelenregung bereden sollen. Nach Auskunft von Psychologen tendieren in langen Ehen jedoch häufig beide Partner zum Irrglauben, einander so gut zu kennen, dass sie sich kaum mehr Fragen stellen. Dass im Laufe der Zeit die Neugier aufeinander durch Gewohnheiten ersetzt wird und diese nicht selten in Langeweile münden, gefährde eine Beziehung mehr als ausgefochtene Konflikte. Doch selbst wenn das Interesse aneinander nicht abnimmt, fordern beider Spagat zwischen Beruf und Familie oder die klassische Rollenteilung einen Tribut. »Die Gefahr ist, dass man im Alltag total versinkt und den Partner wie ein Instrument betrachtet, das funktionieren muss«, skizziert mein Interviewpartner Axel Braig die häufig schleichende Mutation des einstigen Liebespaars zum Arbeitsteam und die sich einnistende Entfremdung, falls kaum noch Zeit für unbeschwerte Gemeinschaftserlebnisse bleibt oder die Lebensschwerpunkte unmerklich auseinanderdriften.
In seinem Buch »Was hält Paare zusammen?« rehabilitiert der Zürcher Paar- und Familientherapeut Jürg Willi gleichwohl den geschmähten Alltagstrott. Welchen Halt und Zusammenhalt verlässliche Abläufe stiften, werde häufig erst bewusst, wenn der äußere Rahmen verlorengeht. Ein Zusammenleben bleibe dann lebendig, wenn Absprachen weder starr durchgezogen noch eingeführte Regeln beliebig zur Disposition gestellt werden. Doch sosehr verbindliche Übereinkünfte das Miteinander erleichtern, im Streben nach purer Harmonie liegt nicht das Geheimnis stabiler Partnerschaften. Vielmehr trage gerade das faire Aushandeln von Meinungsverschiedenheiten zur Entwicklung einer Beziehung bei.
»Es geht nicht darum, Konflikte zu verschweigen. Man muss schon sagen
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