Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
bin. Ich war sehr gerührt. Wie es mir geht, fragt meine Mutter jedoch nicht. Wir reden über sie, was sie unternimmt, wen sie kennt, und ein bisschen über meine Alltagsdinge. Wenn ich Zahnschmerzen habe oder neue Schuhe brauche, ist sie hilfsbereit und kümmert sich. Jedes Mal steckt in meiner Manteltasche das Geld fürs Taxi, sie selbst leistet sich nie ein Taxi, weil sie unser Erbe nicht schmälern will. Aber alle Themen, die Emotionales berühren und in die Tiefe gehen, meidet sie.
Insgesamt kann ich mich über mein Leben nicht beschweren. Beruflich würde ich mich gern noch einmal verändern. 16 Jahre auf den gleichen Trampelpfaden sind ermüdend. Unsere gut gehende Praxis mit bis zu zehn Mitarbeitern machte mich lange stolz und zufrieden. Ich fühlte mich nicht als Chefin, die anderen etwas vorschreibt, sondern als jemand, der den Laden schmeißt. Es war immer eine familiäre Atmosphäre. Aber jetzt würde ich lieber viele Sache bestimmen und mir diese leidigen Diskussionen ersparen, auch deshalb, weil ich zu unseren neuen Mitarbeitern nicht mehr so eine persönliche Beziehung habe.
Manchmal überlege ich: Ich verkaufe die Praxis, ich trenne mich von meiner Geschäftspartnerin, ich stürze mich ins Ungewisse, ich hänge wahrscheinlich mal eine Weile in der Luft, aber das ist spannend. Ideen auszubrüten, Pläne zu schmieden, das macht mir unbändige Freude. Ich bin voller Energie, wenn ich einen Gedanken oder ein Gefühl auf den Punkt gebracht habe, denn dann fängt das Handeln an. Ruhe, Faulsein, einmal nichts tun vermitteln mir kein Glück. Ruhe für etwas gibt mir Glück: Etwas oder ich muss in Bewegung sein. Aber ich muss finanziell für mein Alter vorsorgen und bin mitunter so mutlos wie meine Mutter.
Nach der Arbeit lese ich oft oder höre Musik. Musik ist das Medium, das einem am stärksten seinen Gefühlen nahebringt. Wenn ich niedergeschlagen bin, gehe ich ins Fitness-Studio. Sport hilft mir, aus meinen Tiefs herauszukommen. Und ich kann Stunden in Museen verbringen. Ich mag Geselligkeit und freue mich, wenn meine Nachbarn unangemeldet klingeln, um ein Schwätzchen zu halten. Schön finde ich die herüberwehenden Lebensgeräusche, wenn im Sommer alle Fenster offen sind. Neulich fragte meine Nachbarin: »Sollen wir aufs Land fahren und uns ein paar Balkonpflanzen kaufen?«
Bin ich glücklich? Der Ursprung von Glück kommt aus Selbstvertrauen. Ich bin im Einklang mit dem, was ich kann, bin und erreiche. Ich habe meinen Platz im Leben, ich gebe etwas und bekomme eine adäquate Antwort und fühle: So ist es richtig, so stimmt’s. Alles ist im Fluss. Ich erlebe viele solcher Momente, aber ich würde bisweilen gern zurückgreifen auf die Ressourcen, die ich bis 40 hatte: »Lauf los und sieh, was passiert.« Ich weiß inzwischen jedoch, dass mein Selbstvertrauen nicht aus dem Bauch kommt, ich muss es mir über den Kopf erarbeiten. Es gibt den klugen Satz: »Wenn du weißt, was du willst, kannst du tun, was du willst.« Aber vielleicht hat man im Leben gar nicht so viele Wahlmöglichkeiten, weil man ja in frühen Jahren schon sehr geprägt wird. Und das Leben ist leider zu kurz, als dass man wirklich was draus lernen könnte.
Macht Geld glücklich?
Ein Tölpel oder ein Weiser? Je mehr der Lohn für sieben Jahre Arbeit dahinschmilzt, desto unbeschwerter fühlt sich »Hans im Glück«. Jedes Tauschgeschäft des jungen Burschen ist ein Verlust. Auf dem Heimweg zu seiner Mutter löst er einen Klumpen Gold gegen ein Pferd ein, das Pferd gegen eine Kuh, die Kuh gegen ein Schwein, dieses gegen eine Gans, die Gans gibt er her für einen Schleifstein. Als er aus einem Brunnen trinkt, fällt der Wetzstein hinein. Ob »in einer Glückshaut geboren« oder eher mit kleinem Hirn, die Märchenfigur der Gebrüder Grimm ist zweifellos ein Lebenskünstler. Nicht der abstrakte materielle Wert von Besitztümern zählt für ihn, sondern ihr sofortiger Nutzen. Ist Hans müde vom Laufen, kommt ihm ein Pferd wie gerufen, die Kuh soll Hunger und Durst abhelfen. Dass er meist gar nicht in die Genüsse gelangt, die er sich vom Handel erhofft, schmälert nicht seine Freude, dass er immer weniger zu schultern hat. Am größten ist sein Jubel, als er mit leeren Händen dasteht. Nun fühlt Hans sich von allem Ballast befreit. »So glücklich, wie ich«, ruft er aus, »gibt es keinen Menschen unter der Sonne.«
Macht Eigentum froh? Wächst unser Glück durch Dinge, die wir uns gönnen können? Kein anderer Aspekt wird von der
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