Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
es mir, ob wir uns ins Wohnzimmer mit schwarzen Ledermöbeln oder in die kleine Stube neben der Küche setzen, die mit kunstvoll verzierter Holzvertäfelung die Behaglichkeit einer Almhütte ausstrahlt.
Flüchtig hatten wir schon ein paar Mal Kontakt. Seit langem managt die 60 -Jährige, eine hübsche, schwarzhaarige Frau in Jeans und Pullover, deren mütterliches Gesicht und straffe, rundliche Figur aus der Nähe an Sinnlichkeit gewinnen, den Haushalt einer befreundeten Großfamilie. »Sie ist einer der glücklichsten Menschen, die wir kennen.« Ob sie von dieser Empfehlung weiß, frage ich nicht, als ich Marianne K. um ein Gespräch bitte. Wir verabreden uns zweimal, ihr gleichaltriger Mann hat offensichtlich das Feld geräumt.
Seit 20 Jahren wohnt das Ehepaar in der Gartenkolonie, etliche Jahre gemeinsam mit zwei Töchtern, nun zu zweit. »Wir möchten im Grünen leben«, erklärt Marianne K. die Dauernutzung ihres Häuschens, das mit einer Veranda auf insgesamt 70 Quadratmeter erweitert wurde. Meine Fragen beantwortet Marianne K. offen; häufig vervollständigt sie Sätze jedoch erst, wenn ich sie darum bitte, so als wolle sie mir überlassen, das passende Verb auszusuchen. Ihre Feststellung »Es ist halt so« durchzieht unser Gespräch, aber es klingt niemals resigniert, sondern bringt die Ausgeglichenheit auf den Punkt, die Marianne K. von Kopf bis Fuß ausstrahlt: die Gabe, mit sich und der Welt im Lot zu sein.
Als ich ihr das Gesprächsprotokoll zuschicke, antwortet sie: »Ich glaube, dass Sie den Eindruck haben, dass ich eine Ja-Sagerin bin. Aber ich kann mich auch zur Wehr setzen und gehöre in unserem Freundeskreis zu den wenigen, die das Essen im Restaurant zurückgehen lassen, wenn es nicht schmeckt.«
Nach der neuen Statistik sind zwei Drittel der Deutschen glücklich. Aber ich glaube das nicht, man hört so viele rummeckern, manche kommen vor lauter Ansprüchen gar nicht dazu, zu schätzen, was sie haben. Glück hat viel mit dem Naturell zu tun.
Aber man kann natürlich etwas dafür tun, gerade in der Partnerschaft. Wichtig ist Vertrauen, und dass man sich auch sagt, dass man glücklich ist. Wir sagen uns das zwei-, dreimal in der Woche. Als mein Mann noch als Polier arbeiten ging, habe ich ihm in die Stullenbüchse manchmal ein Zettelchen reingelegt, darauf stand, dass ich ihn liebe und brauche. Oder ich habe die Stullen in Herzform ausgestochen. Und Klaus sagt häufig zu den Kindern: »Eure Mutter musste ich einfach heiraten. Was hab’ ich doch für ein tolles Weib.«
Es ist für uns beide unsere zweite Ehe. Wir machen fast alles gemeinsam, ich möchte keinen Tag ohne meinen Mann sein. Wir haben 1991 geheiratet. An unserem Hochzeitstag backe ich eine Torte, es werden Kerzen angezündet, wir trinken eine Flasche Sekt und reden darüber, wie wir zusammengekommen sind. Klaus sagt, er habe sich schon vor 30 Jahren in mich verliebt. Wir kennen uns seit langem, seine geschiedene Frau ist eine Kinderfreundin von mir; sie und Klaus haben uns mehrmals in der DDR zur Jugendweihe meiner vier Kinder besucht. Unsere Liebesbeziehung begann 1986 , als mich meine Kinderfreundin zu ihrem 40 sten Geburtstag nach West-Berlin einlud. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt einen Geliebten, lebte schon von Klaus getrennt und bat ihn, sich um mich zu kümmern. Verkuppeln wollte sie uns nicht. Nachher war das Geschrei groß.
Ich war damals seit drei Jahren geschieden und bekam in der DDR eine Invalidenrente, weil ich mir bei einem Sturz die halbe Hand weggeschnitten hatte. Trotz fünf Operationen konnte ich lange die rechte Hand kaum benutzen, als Rentenempfängerin durfte ich 30 Tage im Jahr in den Westen reisen. Ich habe mich gleich in meinen jetzigen Mann verliebt. 1987 zog ich nach West-Berlin. Bei meiner endgültigen Ausreise musste ich unterschreiben, dass ich auf unser Haus und unser Grundstück in Thüringen verzichte, sonst hätte ich die zwei jüngeren Kinder nicht mitnehmen können, die beiden Großen standen schon auf eigenen Füßen. Wir sind mit zwei Fahrrädern und einer Tasche über die Grenze gegangen, ohne einen Pfennig Geld. Klaus hatte keine Ersparnisse, nur sein Auto und dieses Grundstück, aber wir haben nichts vermisst, weil es gleich mit uns stimmte, ohne dass wir uns dafür anstrengen mussten. Wie manche Menschen nur unglücklich sein können, kann ich nicht begreifen. Ein bisschen Glück ist doch überall. Ich bin glücklich, wenn meine Kinder anrufen, wenn ich meinen kleinen Enkel spazieren fahre,
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