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Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Titel: Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina von Kleist
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Rahmenbedingungen benachteiligen die mittlere Generation. Wie Psychologen erläutern, schöpfen wir Glück in den Lebenszyklen unterschiedlich aus: erst mehr, dann weniger, dann wieder mehr. Ob wir uns morgens griesgrämig aus dem Bett quälen oder beim ersten Sonnenstrahl freudig die Bettdecke zurückschlagen, hängt in erster Linie von unserer Lebenseinstellung ab. Tendenziell aber beeinflusst auch unser Alter unsere Lebenshaltung. In einer gesunden Entwicklung durchlaufen wir verschiedene Stufen, die Auswirkung auf unser Glücksempfinden haben.
    Als Kinder und Jugendliche saugen wir Äußeres förmlich auf. In Reaktion auf unsere Umwelt festigen wir unsere Identität und bauen Ich-Stärke auf, indem wir uns permanent in anderen spiegeln und uns ausprobieren. Was wir fühlen, denken, tun verklären wir als neu und einzigartig. Jugend ist Aufbruchstimmung, die Gegenwart ist eine Etappe auf dem endlosen Weg in die Zukunft. Als junge Frau dachte sie oft: »Lauf los und sieh, was passiert«, beschreibt eine Interviewpartnerin das draufgängerische Was-kostet-die-Welt-Lebensgefühl junger Menschen. Einerseits wird in den ersten Lebensjahrzehnten die eigene Potenz überschätzt, andererseits fließt viel Kraft darein, sich von den Erwartungen der Eltern abzugrenzen. Die verlockend vielfältigen Wahlmöglichkeiten werden überschattet von der Frage, welche Option die richtige ist. Die narzisstische Fokussierung auf sich selbst, auch in der Sexualität, ist häufig gepaart mit Selbstzweifeln. Anpassung und Überanpassung sollen Zuneigung und Zustimmung sichern, wie meine Gesprächspartnerin Lieselotte Thoma erinnert: »Sobald jemand mich angenommen hat, habe ich ihn auch angenommen. Ich hatte nicht das Gefühl, überhaupt wählen zu dürfen. Wenn jemand mich abwies, empfand ich das als Untergang.«
    In sukzessiver Weichenstellung verengen sich Freiräume, die Biographie bekommt schärfere Konturen. Wir etablieren uns beruflich (wenn auch zunehmend mit Unsicherheitsfaktoren) und privat, ordnen uns gesellschaftlich (und politisch) ein, erwerben Kompetenz, entwickeln Lebensstil, Partner teilen Zuständigkeiten auf. Wir sind auf Expansionskurs, meist auch in der Anschaffung materieller Dinge. Es ist eine Lebensphase, in der man viel Echo bekommt. Das stachelt an, fördert aber auch Opportunismus. Utopien weichen dem Machbaren. »Die Jugendträume und Hoffnungen bekommen meist mit 30 die ersten Dellen. Die Ziele, für die man brannte, gehen oft schon mit 40 unter«, charakterisiert der Psychotherapeut Wolfgang Krüger den häufigen Abschied von Idealen. Sehnsüchte verblassen über konkreten Vorhaben. Beispielhaft schildert die 31 -jährige Charlotte L., seit 14 Jahren liiert mit meinem Interviewpartner Malte B., das Welken einstiger Blütenträume: »Lange wünschte ich mir, dass wir heiraten, mit einer Trauung ganz in Weiß. Aber mittlerweile ist das für mich unwichtig. Der ganze Zauber ist vorbei, ich überlege heute, was für einen Aufwand ein großes Fest bedeuten würde.« Das eigene Glück ist ablesbar: am Wohlergehen der Kinder, an der Qualität der Partnerschaft, an beruflichen Erfolgen, am Lebensstandard. Defizite werden aufgefüllt durch die Hoffnung auf Künftiges. Das Glück in Wartestellung entschädigt für aktuelle Verzichte.
    Mit zunehmendem Alter konzentrieren wir uns wieder mehr auf Gegenwärtiges. »Zur zweiten Hälfte gehört die Entwicklung vom Ich zum Selbst, indem man die Innenwelt mit einbezieht«, erläutert die Hamburger Logotherapeutin Hannelore Unruh, Jahrgang 1929 . 83 Angesichts des sich verkürzenden Zeitraumes für Ungelebtes besinnen wir uns auf aufgeschobene Wünsche, das Gewicht verschiebt sich wieder mehr vom Tun auf Gefühle, häufig melden sich alte Wunden, Paare ziehen eine Zwischenbilanz: Ist man eigentlich glücklich miteinander? »Je älter die Kinder wurden, desto mehr bezweifelte ich dieses »Così fan tutte« (»So machen’s alle«), desto dringender stellten sich für mich nochmals die Fragen: »Was will ich? Und wo will ich hin?«, schilderte mein Gesprächspartner Axel Braig die kritische Überprüfung des Status quo.
    Während einige Menschen in ruhigen Gewässern dahingleiten, setzen sich andere nochmals Stürmen aus. »Wann, wenn nicht jetzt?« ist das Startsignal für radikale Umbrüche. Die berüchtigte Midlifecrisis mobilisiert Mut, Tatkraft, sexuelles Begehren. Der Wunsch nach Veränderungen verleitet aber auch zu kurzsichtigen Fehlentscheidungen. Der Glaube, sich

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