Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
nochmals neu erfinden zu können, entpuppt sich häufig als Illusion. Die Begrenzung dessen, was noch möglich ist, wird schmerzlich bewusst, nach einer Phase des Aufbäumens werden manche Träume endgültig begraben. Es sind die Wechseljahre, in denen sich Glücksvorstellungen wandeln. Frauen verankern ihr Glück (oder Unglück) stärker als Männer in Beziehungen. Nach Erfüllung der Familienaufgaben aber nutzen sie den gewonnenen Handlungsspielraum, um eigene Prioritäten zu setzen. Egal, ob sie ihr Abitur nachholen oder zu schneidern beginnen, nochmals in sich zu investieren, empfinden Frauen oft als solche Belebung, dass es für sie kein Zurück mehr gibt. Fünf meiner acht Interviewpartnerinnen leben allein, bei den befragten Männern ist es nur einer von sieben. Obwohl Männer weniger in Familienaufgaben investieren, binden sie sich nach einer Trennung oder als Witwer sehr viel schneller als Frauen es tun. Als Single glücklich zu werden, ist für Männer offenbar kaum vorstellbar, etliche wiederholen das klassische Familienmodell. Eine bedeutend jüngere Partnerin soll die Freuden des Jungseins zurückbringen. Frauen hingegen genießen oft die größere Selbstbestimmung, die auch für eine neue Liebe nicht völlig aufgegeben wird.
In der Interviewsammlung »Fünfundfünfzig plus. Die Kunst des Älterwerdens« befragt Regine Schneider prominente Frauen, wie das fortschreitende Alter sie verändert. Nicht vom weiblichen Armutsrisiko im Alter bedroht, doch gnadenlos dem öffentlichen Blick ausgesetzt, der den Schwund körperlicher Attraktivität registriert, betonen viele den Zuwachs an Selbstbewusstsein. »Je älter ich werde, desto mehr öffnet sich. Ich werde immer freier. Weil ich einfach besser weiß, was ich will«, antwortet die Schauspielerin Ursula Monn, Jahrgang 1950 .
Heide Keller, Jahrgang 1941 und als Chefstewardess Beatrice Dienstälteste in der »Traumschiff«-Crew, führt ihre zunehmende Ausgeglichenheit auch darauf zurück, dass sie das ekstatische Glück nicht mehr zu erzwingen versuche: »In jungen Jahren war ich sehr abhängig von Gefühlen, von Zuneigung und Zuwendung. Nur wenn ein Mann mir dreimal am Tag gesagt hat, dass er mich liebt und dass er mich wunderbar findet, war ich einigermaßen sicher. Ich habe alles getan, um diesen Zustand des Glücks möglichst zu halten. Dann stellte ich fest, Glück ist kein Dauerzustand… Heute weiß ich, dass man permanentes Glück gar nicht aushalten könnte. Vergnügt, fröhlich, positiv und zufrieden, das ist schon sehr viel. Im Einklang mit dem zu sein, was man lebt. Und wenn dann manchmal ein paar Zuckerstreusel darüber kommen, dann ist das fantastisch.« 84
In dieser Lebensphase wird Glück meist nicht mehr als Paukenschlag erwartet. Leiser geworden, addiert es sich aus kleinen schönen Ereignissen, die bewusster und aufmerksamer als früher ausgelotet werden. Das Naheliegende, das Auskosten von Vertrautem ist oft reizvoller als Exotisches, auch da man weiß, dass dieses meist gar nicht so sensationell ist. Statt irgendeiner Berühmtheit begegnen zu wollen, trifft man lieber einen Freund. Man wird nicht mehr den Großglockner besteigen und wandert stattdessen vergnügt durch den Schwarzwald. Für viele ist Gartenarbeit Seelenbalsam. Die Einsicht in Begrenzungen wird oft durch intensiveres Erleben wettgemacht. »Im fortschreitenden Alter lassen Ehrgeiz und das Streben nach Selbstverwirklichung oft nach. Der Stellenwert von Karriere verschiebt sich zugunsten der Familie, zugunsten sozialer Ziele. Im guten Sinne werden Ältere meist realistischer, bescheidener, sie legen ihren ›Größenflitz‹ ab«, skizziert Wolfgang Krüger, Jahrgang 1948 , die typische Lebenskurve.
Die Versuchung, immer kleinere Brötchen zu backen, ist freilich groß. Man nimmt kaum noch Unbequemlichkeiten in Kauf, schlafft ab und schmort im eigenen Saft. Wie sich bei vielen älteren Menschen beobachten lässt, nimmt die Egozentrik, die flinke Kurve zu eigenen Belangen und Interessen, deutlich zu. Oft schleiche sich Resignation ein, beobachtet Wolfgang Krüger auch in seinem Bekanntenkreis: »Wenn ich vergleiche, mit welcher glühenden Begeisterung wir uns früher die Köpfe heißgeredet und unbekümmert rumgealbert haben, geht es heute viel gedämpfter zu. Auf Feten setze ich mich oft an den Rand und gucke: Wer glüht noch? Wem sieht man in den Augen an, dass noch ein Feuer da ist? Bei Festen mit 30 oder 40 Leuten sind es in der Regel ein bis zwei Personen. Die Luft ist
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