Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Titel: Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina von Kleist
Vom Netzwerk:
ich freue mich, dass ich jeden Tag eine Banane essen kann. Es ist nicht so, dass ich das in der DDR ständig vermisst habe, aber die Freude darüber nutzt sich nicht ab.
    Ich glaube, ich bin von Natur aus ein fröhlicher Mensch. Ich bin die Jüngste von sechs Schwestern und war der Liebling meines Vaters. Nach dem Krieg hat es meine Eltern von Westpreußen nach Thüringen verschlagen. Bis zu meinem zehnten Lebensjahr schliefen wir zu zweit in einem Bett, weil es räumlich nicht anders möglich war, aber meine Eltern waren immer zufrieden. Mein Vater war Arbeiter in den Schiefergruben und wurde dann Verwalter in einem Stadtgut nahe Saalfeld, wo wir zunächst zwei Zimmer und Küche hatten. Die beiden Ältesten waren schon aus dem Haus, meine Eltern und wir vier Jüngeren schliefen in einem Zimmer. Wir durften privat Viehzeug halten: Kühe, Schweine, Hühner, Hasen und ein Pferd für uns Kinder. Wir sind gut satt geworden, die Hausschlachtungen waren für mich jedoch schlimm, ich konnte nichts Selbstgeschlachtetes essen. Wenn irgendwo ein Hasenfell hing, wurde mir schlecht.
    Ich hatte eine behütete Kindheit, musste daheim wenig helfen, erinnere mich nicht, jemals bestraft worden zu sein. Nach der Schule machte ich meine Hausaufgaben, danach haben wir Kinder uns am Scheunentor getroffen. Abends saßen wir meist mit unseren Eltern zusammen, wir haben gesungen oder Gesellschaftsspiele gespielt, mein Lieblingsplatz war auf Papas Schoß. Wenn meine Eltern sich mit Freunden trafen, war ich immer dabei. Meine glücklichste Kindheitserinnerung ist, dass meine ältere Schwester mir als Zwölfjährige ein Jahr lang heimlich Klavierunterricht bezahlte, damit ich meinem Vater zum Geburtstag etwas vorspielen konnte. Er fiel aus allen Wolken und verkaufte danach seine beste Kuh für ein Klavier. Leider hatten wir nie gemeinsame Familienfrühstücke. Sonntag wäre der einzige Tag dafür gewesen, aber meine Mutter war eine Erzkatholikin und bestand darauf, dass wir Kinder mit ihr zur Frühmesse gingen. Ich habe mir zur Beichte immer irgendwelche Vergehen ausgedacht. Es war ja auch schon eine Sünde, wenn man in der Messe nicht aufmerksam war, wenn man geflucht oder genascht hatte.
    Ich hatte damals das Gefühl, meine Mutter ist mit Gott verheiratet, weil mein Vater lieber etwas mit mir als mit ihr unternahm. Er starb an einer Virusgrippe, als ich in der zehnten Klasse der Oberschule war. Die Trauer überlagerte alles andere, auch, dass ich nach der mittleren Reife abgehen musste. Eigentlich wollte ich Sport und Englisch studieren, aber zum Abitur hätte ich auf ein Internat gehen müssen. Meine Mutter meinte: »So ein Zigeunerleben gibt’s nicht.« Es war auch finanziell schwierig. Ich habe nicht gehadert, es war halt so. Heute bedauere ich, dass meine Mutter nie davon sprach, was sie auf der Flucht durchgemacht hatte. Ich hätte ihre Sprödigkeit besser verstanden und wäre wahrscheinlich mehr auf sie zugegangen.
    Ich habe dann Industriekauffrau gelernt in einer Schokoladenfabrik, in der auch meine Schwestern arbeiteten. Mit 18 lernte ich meinen ersten Mann im Jugendklubhaus kennen. Mir gefiel sein Aussehen, er war lieb, verabredete sich immer öfter mit mir. Mit 19 heiratete ich, mit 21 kam unser erstes Kind. Im Haus meiner Schwiegereltern bauten wir uns eine Wohnung aus, anderthalb Jahre nach unserer Tochter wurde unser Sohn geboren. Zu meiner Arbeitsstelle lief ich über eine Stunde, aber mir gefiel es, frühmorgens mit dem Kinderwagen loszuziehen, auch wenn es regnete oder schneite, und ich freute mich, wenn ich abends die Kinder vom Betriebskindergarten wieder abholen konnte. Mein Mann war von Montag bis Freitag auf Montage. Er war vier Jahre älter, hatte wie seine Eltern Kürschner gelernt. Als das Gesetz kam, dass Kinder das elterliche Geschäft nicht übernehmen dürfen, wurde er Ingenieur.
    Vier Kinder wollte ich eigentlich nicht, die beiden Nachzügler kamen hinzu, als wir unser großes Haus bauten. Als kinderreiche Familie hatten wir in der DDR viele Vorteile. Wir erhielten günstige Kredite, wurden bevorzugt, als die ersten Farbfernseher in den Handel kamen, das Schulessen war frei, und ich brauchte nur acht statt achtdreiviertel Stunden zu arbeiten. Beruflich wurden Frauen sehr gefördert. Während unseres Hausbaus hatte ich in einen Baubetrieb gewechselt, dadurch saß ich an der Quelle von Materialien. Die Firma bot mir ein Frauensonderstudium in Finanzwirtschaft an, doch mein Mann hat mir das vermasselt. Ich hätte

Weitere Kostenlose Bücher