Der Weg zur Hölle
brüllen, um sich überhaupt Gehör zu verschaffen.
»Sie sind die Familie von Hans-Jochen Meyer?«
»Der nicht«, sagte die Frau gallig und zeigte auf den nervösen jungen Mann. »Der ist Anwalt.«
»Ich verstehe. Lassen Sie uns in den Besprechungsraum gehen.«
»Sie haben kein Recht, meinen Mann ständig zu verhören!«
»Zuerst unterhalten wir uns mal«, sagte Bella Weilandt streng. Frau Meyer sah die Polizistin an, als wolle sie sie verprügeln. Der Anwalt öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch die Frau kam ihm zuvor.
»Komm Jennifer«, sagte sie zu dem Mädchen und ging Wedelbeck hinterher, der bereits die Tür zu einem großen Raum geöffnet hatte. Jennifer? Jetzt hatte ich endlich Mitleid mit der Kleinen.
Kaum saßen die fünf Leute, erging sich die Frau in ebenso lauten wie langatmigen Reden über die grenzenlose Gutmütigkeit ihres Mannes, die grausame neue Zeit, in der es einfach keinen Platz mehr für herzensgute Menschen gebe, über Polizeiwillkür und über die beeindruckenden gärtnerischen Fähigkeiten Hans-Jochen Meyers. Zwischendurch zeigte sie drohend auf den Anwalt und kündigte an, der Mann hier werde »den Laden auseinandernehmen«. Der hielt das jedes Mal für sein Stichwort und hob an, etwas zu sagen, doch die Frau ließ ihn nicht zu Wort kommen.
Kommissarin Weilandt war es schließlich, die den Monolog beendete. Sie schob sich zwei Finger in die Mundwinkel und pfiff so laut, dass die ganze Keithstraße zusammenzuckte.
»Danke«, sagte Wedelbeck leise und rieb sich das Ohr. »Frau Meyer, zunächst einmal möchte ich Ihnen sagen, dass wir sehr erleichtert sind, Sie bei uns zu haben. Sie müssen wissen, wir haben Sie und Ihre Tochter bereits gesucht.«
»Aha. Warum?«
»Nun, wie soll ich es ausdrücken? Wir haben uns Sorgen um Sie gemacht.«
»Hä?«
»Zeugen haben ausgesagt, Sie seien mehrfach Opfer gewalttätiger Übergriffe seitens Ihres Mannes geworden.«
»Das ist gelogen!«, kreischte die Frau und sprang auf. »Diese beschissenen Klatschweiber haben das erfunden! Hans-Jochen hat uns nie angerührt. Er ist zahm wie ein Lamm.«
Kommissarin Weilandt presste die Lippen zu einem kaum noch sichtbaren Schlitz zusammen.
»Wo waren Sie in den letzten Wochen? Wir haben gehört, Sie haben nach einem Streit, gleich nach Ausstrahlung der Sendung über Ihre Familie, die Wohnung verlassen.«
Der Anwalt schaltete sich ein.
»Frau Meyer und Ihre Tochter haben sich mit der Bitte um Hilfe an unsere Organisation gewandt.«
»Ein Frauenhaus?«
Der Anwalt nickte.
»Wie kam es dazu, Frau Meyer?«
Die Angesprochene winkte ab, um von vorn herein klarzumachen, dass die ganze Angelegenheit lediglich eine Bagatelle gewesen sei.
»Das war nur die Schuld von den Fernsehleuten. Die haben das alles falsch zusammen geschnitten. Wir hätten die nie reinlassen sollen.«
»Und wegen eines einfachen Streits«, nahm Bella Weilandt den Faden wieder auf, »gehen Sie und Ihre Tochter in ein Frauenhaus?«
Die Frau nickte. »Ich weiß. War blöd von mir.«
Der Anwalt rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
»Unsere Einschätzung der Situation ist da ein wenig anders.«
»Quatsch!«
Der Anwalt hob resigniert die Arme.
»Woher stammen die Verfärbungen in Ihrem Gesicht?«
»Ich bin gestolpert. Da ist wenig Licht im Frauenhaus.«
»Ein dunkles Frauenhaus«, sagte Bella Weilandt trocken. »Ich verstehe.«
»Frau Meyer«, sagte Wedelbeck. »Ihr Mann ist ein wichtiger Zeuge in einem Mordfall. Beim derzeitigen Stand der Ermittlungen können wir nicht auf seine Mithilfe verzichten.«
»Aber die Leute reden! Die halten ihn doch ohnehin schon für ein Monster!«
»Ich versichere Ihnen, wir bestellen Ihren Mann nur als Zeugen ein. Und manchmal ist es unumgänglich, das öfter zu tun. Wir ermitteln sehr gewissenhaft in alle denkbaren Richtungen. Schließlich geht es hier um einen Mord!«
Die Frau schnaubte verächtlich und stand auf.
»Und mit dem hat mein Mann nichts zu tun. Also lassen Sie ihn endlich in Ruhe! Sonst verklage ich Sie alle! Hans-Jochen hat keinem was getan. Sowas macht der nicht! Komm Jennifer, wir gehen! Wir warten draußen auf Papa.«
Das Mädchen saß einen Moment lang da und starrte bewegungslos auf die Tischkante. Dann hob sie den Kopf, sah Kommissarin Weilandt in die Augen und öffnete den Mund, als wolle sie etwas sagen, doch dazu kam es nicht.
»Wirds bald?«, krähte ihre Mutter.
Die Polizistin wandte sich ihr zu.
»Ich glaube, Ihre Tochter möchte noch etwas
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