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Der Weg zur Hölle

Der Weg zur Hölle

Titel: Der Weg zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaspar Dornfeld
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vorstellte.
    Reemund überlegte eine Weile, bevor er antwortete.
    »Mir sind schon viele Menschen begegnet, die an irgendwelchen wahnhaften Unsinn glaubten. Aber, um Ihre Frage zu beantworten: Es hat was von einer Sekte. Als würden sie alle umso begeisterter Ekstase vorgeben, je weniger sie wirklich daran glauben.«
    »Sie sind ein guter Beobachter.«
    »Und Sie sind ein beschissener Kaffeekocher.«
    Kolobcek breitete entschuldigend die Arme aus und schwieg.
    »So. Ich hab Ihnen Ihre Gegenfrage beantwortet. Jetzt sind Sie dran.«
    »Ich mochte Eduard sehr gern«, begann der Mann zögernd. »Zumindest die ersten Jahre. Das war die Zeit, in der diese Sendungen wie Pilze aus dem Boden schossen. Aber kaum einer hatte so großen Erfolg damit wie Koss. Wissen Sie, ich fand seinen Enthusiasmus sehr naiv und auf die Dauer ausgesprochen nervtötend. Die Sache ist, dass er wirklich geglaubt hat, die Leute würden nicht aus Voyeurismus zuschauen oder mitmachen, sondern um sich helfen zu lassen.«
    »Und Sie?«
    »Mir war es letztendlich egal. Wenn die Leute so was toll finden, bitte sehr. Wir liefern, solange es Geld bringt. Meine Aufgabe bestand in erster Linie darin, Eduards guten Glauben an die Welt zu bewahren, denn, ob Sie es glauben oder nicht, das war der eigentliche Erfolgsgarant für die Sendung.«
    »Ich hab gehört, dass der Erfolg am Ende nicht mehr so groß war.«
    »Die Leute bekommen es allmählich satt und wenden sich der nächsten Dummheit zu.«
    »Ich meine, was ging bei Ihnen schief?«
    »Bei mir?«
    Kolobcek brauchte eine Weile, ehe er antworten konnte.
    »Der Druck wurde zu groß. Vor fünf Jahren ist Eduards Tochter Anna gestorben. Ein Unfall. Mehr weiß ich auch nicht. Sie war seine Stieftochter, aber das tat seiner Liebe keinen Abbruch. Koss war nicht mehr derselbe nach ihrem Tod. Er hätte damals eigentlich aufhören müssen mit der Sendung, aber er tat es nicht. Dabei war er völlig ausgebrannt. Konnte kaum noch was selber machen. Im Prinzip hatte ich seine Arbeit mit zu erledigen, und er wurde nur noch vor die Kamera geschoben.«
    »Ich verstehe«, sagte Reemund.
    »Es ist nur so: Eigentlich hätte ich Mitleid mit ihm haben müssen, damals. Er war alleinerziehender Vater, nachdem seine Frau an Krebs gestorben war. Wenn dann auch noch eins deiner Kinder stirbt … Puh. Aber ich hatte kein Mitleid, jedenfalls nicht mit ihm. Sondern ausschließlich mit mir, weil der Druck zu groß wurde. Zuerst hielt ich mich mit Speed aufrecht. Dann Koks und irgendwann hatte ich es nicht mehr im Griff. Na ja. Und als Koss aus seiner Starre erwacht ist und wieder voll bei der Sache war, hat er mich gefeuert. Das muss man sich mal vorstellen: Ich komme nur auf das Zeug, um den Stress auszuhalten, ihn jeden Tag aufzufangen, und als er wieder selber stehen kann, wirft er mich raus! Und ein paar Entzüge und viel Selbstmitleid später … Voilà!«
    Er breitete die Arme aus, als präsentiere er sein Reich und ungeachtet seiner theatralisch zur Schau gestellten Abgeklärtheit zitterte er vor Wut.
    Reemund ließ das so unbeeindruckt wie der scheußliche Kaffee.
    »Und was können Sie mir über Herrn Medchenwunder sagen?«
    Kolobcek winkte ab.
    »Nicht viel. Simmons hat ihn eingestellt. Erst war er Praktikant, später wurde er in die Redaktion aufgenommen. Ich hab dann irgendwann erfahren, dass er Redaktionsleiter geworden ist, nachdem der Schwarze Björn versagt hatte. Das ist schon alles.«
    »Aha«, sagte Reemund, stellte die Tasse auf den Fußboden, wo sie nicht weiter auffiel und stand auf.
    »Eine Sache noch zu Eduard Koss«, sagte Kolobcek.
    »Ich höre.«
    »Ich möchte, dass Sie eins verstehen: So gut wie jeder wird Ihnen Koss als einen Menschen beschreiben, der wirklich Gutes tun wollte. Aber er konnte knallhart sein. Man kann es eine Art dunkle Seite nennen. Als er mich rausgeworfen hat, hab ich das zu spüren gekriegt. Aber es gab auch andere Momente.«
    »Zum Beispiel?«
    »Nun, viele überlassen das speziellen Castingfirmen, aber wir haben es immer selbst übernommen, Familien zu finden, die in der Sendung auftreten wollten. Problemfamilien. Immer, wenn wir jemanden gefunden hatten, haben wir so schnell wie möglich einen Vertrag vorgelegt. Weil es natürlich auch vorkam, dass Leute, nachdem sie eine Nacht darüber geschlafen hatten, einen Rückzieher machen wollten. Und ich sage Ihnen, Koss war ein Meister darin, Leute mit der Androhung von Vertragsstrafen einzuschüchtern. In Wahrheit hätten sie nichts zu

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