Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weg zur Hölle

Der Weg zur Hölle

Titel: Der Weg zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaspar Dornfeld
Vom Netzwerk:
befürchten gehabt. Was hätten wir schon tun sollen? Und die Mühe wäre es auch nicht wert gewesen. Aber Koss konnte wirklich gut Angst machen. Ich gebe zu, dass es mir manchmal eiskalt über den Rücken gelaufen ist, wenn ich ihn bei so etwas beobachtet habe. Er war eben ein guter Psychologe. Hinterher erklärte er dann immer, dass man die Menschen manchmal zu ihrem Glück zwingen müsse.«
    »Ich verstehe.«
    »Kommen Sie morgen auch zu seiner Beerdigung?«
    Reemund dachte einen Moment lang nach, dann begann er zu lächeln und nickte.
    »Ja, ich denke, das sollte ich tun.«
    *
    Es war schon dunkel, als der Hund und ich nach Marzahn zurückkehrten. Immernoch regnete es in Strömen. Das Tier war am Ende mit seinen Nerven, denn ich hatte es einen Großteil der Strecke getragen, um so schnell wie irgend möglich aus diesem Wetter zu kommen.
    Ich legte das zitternde und jaulende Bündel in Koss' Kellerverschlag, wo es sich mit eingeklemmtem Schwanz in die hinterste Ecke zurückzog. Dann sah ich mich um und erschrak. Eduard Koss war nicht da!
    Ich fand ihn in der »Zelle« von Medchenwunder, wo er im Schneidersitz neben dem Geist des anderen saß und ihn alle paar Sekunden anfasste. Koss hatte offenbar Gefallen an den Stromstößen gefunden, die die Berührungen bei ihm und seinem Widerpart auslösten. Wie ein kleines Kind, dass etwas Neues lernt. Medchenwunder hingegen stöhnte verzweifelt. Er war bereits zur Hälfte in den Betonboden eingesunken.
    Ich fluchte und gerade, als Koss die Hand ausstreckte, um eine neue Runde zu starten, schob ich mich dazwischen, meine geistige Abschirmung auf Maximum.
    Er berührte also mich und nichts geschah.
    Koss sah erst seine Hand an, dann schob er sie noch einmal nach vorn, berührte mich erneut. Wieder passierte nichts.
    Ich drehte mich um, zog Medchenwunder aus dem Fußboden und setzte ihn vorsichtig ein Stück entfernt ab. Dann flog ich zurück zu Koss.
    Er war aufgestanden und sah mir direkt in die Augen, trotzig, wütend, wie ein Kind, dem man eben sein Lieblingsspielzeug weggenommen hat. Und genau das war er gerade. Ein Kind.
    Das würde er allerdings nicht mehr lange sein, wenn ich seine Fortschritte richtig einschätzte. Immerhin hatte er bereits begriffen, dass er durch Türen und Wände gehen konnte, er hatte seine Umwelt so weit wahrgenommen, dass es für ihn einen Grund gab, durch Türen und Wände zu gehen und die Art, wie er mir in die Augen sah, verriet eindeutig ein erwachendes Selbstbewusstsein.
    Seine Wut hatte etwas zutiefst Bedrohliches, zumal Koss mindestens einen Kopf größer war als ich. Ich merkte, dass ich mehr als nur Respekt vor diesem Anblick verspürte, und schüttelte den Kopf. Völliger Blödsinn! Was sollte ein Toter einem anderen Toten anhaben? Also riss ich mich zusammen, machte nun meinerseits ein böses Gesicht und streckte sogar den Zeigefinger aus.
    »Böser Eduard«, schimpfte ich. »Böser, böser Eduard. Du hast Stephan wehgetan. Das darf man nicht! Ab zurück nach Hause!«
    Koss' Miene wurde weich. Er ließ den Kopf hängen, drehte sich um und ging zurück in seinen Kellerverschlag. Mir blieb der Mund offen stehen. Ich war fest davon überzeugt, mit keiner ernst zu nehmenden Menge an natürlicher Autorität ausgestattet zu sein, aber irgendwas hatte funktioniert.
    Koss verzog sich in seinen Kellerverschlag, die Beine angezogen und fing an zu weinen.
    Na großartig. Was sollte ich denn jetzt machen? Etwa weiter das Kindermädchen spielen?
    Allmählich verstand ich, warum Geister Abstand zu den Neutoten halten.
    Trotzdem setzte ich mich neben ihn, und nur ein paar Sekunden später hatte der schluchzende Geist seinen Kopf in meinen Schoß gelegt. Obwohl mein mentaler Abwehrschild für gewöhnlich ganz gut hält, kann ich die Nähe anderer Geister einfach nicht ausstehen. Ich saß also da wie ein Wandschrank. Koss schluchzte, Medchenwunder stöhnte am anderen Ende der Kelleretage herum, und der Hund lag nicht weit von mir in der Ecke und jaulte.
    Ein Jammertal, das Leben nach dem Tod!
    * * *

KAPITEL 12 - RITUALE
RITUAL: (lat. ritus, »Aufbau«, »Zeremonie«). Handlungen, die regelmäßig und auf vorhersagbare Weise wiederholt werden, sowohl in religiösem und weltlichem Kontext, und die so vielen Zwecken dienen, daß ein Überblick unmöglich ist.
    (Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen, deutschsprachige Ausgabe, 1999)
    Irgendwann hatten sich alle beruhigt, sogar das Wetter.
    Ich zog mich aufs Dach zurück, in der Hoffnung, mich vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher