Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.M. Remarque
Vom Netzwerk:
streife ich die Uniform ab und stelle die Stiefel in die Ecke. Dabei sehe ich, dass am Fußende des Bettes ein Nachthemd hängt. Das kenne ich kaum noch. Ich ziehe es an. Und mit einmal, während ich es nackt und fröstelnd überstreife, überwältigt mich ein Gefühl, ich betaste die Decken und wühle mich in die Kissen, ich drücke sie an mich und presse mich hinein, in die Kissen, in den Schlaf und wieder in das Leben, und empfinde nur das eine und nichts anderes: ich bin da – ja, ich bin da!
III
    Albert und ich sitzen im Café Meyer am Fenster. Vor uns auf dem runden Marmortisch stehen zwei Tassen mit kalt gewordenem Kaffee. Wir sind schon drei Stunden hier, doch wir haben uns noch nicht entschließen können, die bittere Brühe zu trinken. Dabei sind wir von draußen allerhand gewohnt; aber dieses hier kann nichts anderes als aufgekochte Steinkohle sein.
    Nur drei Tische sind besetzt. An einem verhandeln Schieber über einen Waggon Lebensmittel; am anderen sitzt ein Ehepaar, das Zeitungen liest; am dritten rekeln wir unsere hingeflegelten Hintern auf den roten Plüschsofas.
    Die Gardinen sind schmutzig, die Kellnerin gähnt, die Luft ist stickig, und eigentlich ist hier wohl nicht viel los; aber für uns ist trotzdem eine ganze Menge los. Wir hocken gemütlich da, wir haben endlos Zeit, die Musik spielt, und wir können aus dem Fenster sehen. Das haben wir lange nicht mehr gehabt.
    Wir bleiben deshalb auch so lange, bis die drei Musiker ihre Sachen zusammengepackt haben und die Kellnerin ärgerlich immer engere Kreise um den Tisch zieht. Dann zahlen wir und streichen durch den Abend. Es ist großartig, langsam von einem Schaufenster zum anderen zu gehen, sich um nichts kümmern zu müssen und ein freier Mann zu sein.
    An der Stubenstraße machen wir halt. »Könnten mal zu Becker reingehen«, sage ich.
    »Tatsächlich«, stimmt Albert zu, »das könnten wir. Der wird sich ja wundern.«
    In Beckers Geschäft haben wir einen Teil unserer Schuljahre zugebracht. Dort gab es alles zu kaufen, was man sich denken konnte: Hefte, Zeichensachen, Schmetterlingsnetze, Aquarien, Briefmarkensammlungen, antiquarische Bücher und Broschüren mit den Auflösungen der algebraischen Aufgaben. Bei Becker saßen wir stundenlang, dort haben wir heimlich Zigaretten geraucht und unsere ersten verstohlenen Zusammenkünfte mit den Mädchen der Bürgerschule gehabt. Er war unser großer Vertrauter. Wir treten ein. Rasch lassen ein paar Schüler, die in den Ecken stehen, ihre Zigaretten in der hohlen Hand verschwinden. Wir lächeln und recken uns ein bisschen. Ein Mädchen kommt und fragt nach unsern Wünschen.
    »Wir möchten Herrn Becker sprechen«, sage ich.
    Das Mädchen zögert. »Kann ich es denn nicht auch machen?«
    »Nein, Fräulein«, erwidere ich, »das können Sie nicht. Sagen Sie mal Herrn Becker Bescheid.«
    Sie geht. Wir sehen uns an und stecken unternehmungslustig die Hände in die Taschen. Das wird ja ein Hallo geben!
    Das wohl bekannte Klingeln der Kontortür ertönt. Becker kommt, klein, grau und verhutzelt, wie immer. Er blinzelt einen Moment. Dann erkennt er uns. »Sieh da, Birkholz und Troßke«, sagt er, »auch wieder da?«
    »Ja«, sagen wir rasch und denken, dass es jetzt losgeht.
    »Ist ja schön! Was soll’s denn sein?«, fragt er. »Zigaretten?«
    Wir sind verdutzt. Kaufen wollten wir eigentlich gar nichts, daran hatten wir nicht gedacht. »Ja, zehn Zigaretten«, sage ich schließlich.
    Er gibt sie uns. »Na, denn auf ein Baldiges!« Damit schlurft er zurück. Wir stehen noch einen Augenblick. »Noch was vergessen?«, ruft er von der kleinen Treppe. »Nein, nein«, antworten wir und gehen.
    »Na, Albert«, sage ich draußen, »der scheint zu meinen, wir wären bloß mal spazieren gewesen, was?«
    Er macht eine verdrossene Bewegung. »Zivilistenkamel …«
    Wir bummeln weiter. Spät am Abend stößt Willy zu uns, und wir gehen zusammen zur Kaserne.
    Unterwegs springt Willy plötzlich zur Seite. Ich erschrecke ebenfalls. Das unverkennbare Jaulen einer Granate kreischt heran, aber dann sehen wir uns verblüfft um und lachen. Es war nur das Quietschen der elektrischen Straßenbahn.
    Jupp und Valentin hocken etwas verlassen in einer leeren, großen Korporalschaftsbude. Tjaden ist überhaupt noch nicht zurückgekommen. Er ist immer noch im Puff. Die beiden anderen begrüßen uns erfreut, denn nun können sie einen Skat ansetzen. Jupp hat es in der kurzen Zeit geschafft, Soldatenrat zu werden. Er hat sich einfach

Weitere Kostenlose Bücher