Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.M. Remarque
Vom Netzwerk:
eine Runde Schnaps und greift einem Mädchen an den Hintern. »Das ist noch Friedensware, Lina«, brüllt er begeistert.
    Wir drängen uns durch. »Tatsächlich, da steht er«, sagt Willy. Mit hochgekrempelten Ärmeln und offenem Hemd, schwitzend, mit nassem, rotem Hals zapft der Wirt hinter der Theke das Bier ab. Braun und golden fließen die Strahlen unter seinen dicken Fäusten in die Gläser. Jetzt sieht er auf. Ein breites Lächeln kriecht über sein Gesicht. »Mahlzeit! Auch da? Was soll’s sein, hell oder dunkel?«
    »Hell, Herr Feldwebel!«, erwidert Tjaden frech. Der Wirt zählt uns mit den Augen.
    »Sieben«, sagt Willy.
    »Sieben«, wiederholt der Wirt mit einem Blick auf Ferdinand, »sechs und Kosole, wahrhaftig.«
    Ferdinand schiebt sich an die Theke. Er stemmt die Fäuste auf den Rand. »Sag mal, Seelig, hast du auch Rum?«
    Der Wirt hantiert hinter seinem Nickelgestänge. »Natürlich habe ich auch Rum.«
    Kosole sieht ihn von unten an. »Den säufst du wohl gerne, was?«
    Der Wirt schenkt eine Reihe Cognacgläser voll. »Natürlich saufe ich den gerne.«
    »Weißt du noch, wann du zuletzt welchen gesoffen hast?«
    »Nee –«
    »Aber ich!«, brüllt Kosole und steht vor der Theke wie ein Bulle vor der Hecke. »Kennst du den Namen Schröder?«
    »Schröder gibt’s viele«, sagt der Wirt oberflächlich.
    Das ist zu viel für Kosole. Er setzt zum Sprung an. Willy greift ihn und drückt ihn auf einen Stuhl. »Erst trinken! – Sieben hell«, erklärt er zur Theke hinüber.
    Kosole schweigt. Wir setzen uns an einen Tisch. Der Wirt stellt uns die halben Liter selbst hin. »Prost!«, sagt er.
    »Prost!«, antwortet Tjaden, und wir trinken. Dann lehnt er sich zurück. »Na, was habe ich euch gesagt?«
    Ferdinand sieht hinter dem Wirt her, der wieder zur Theke geht.
    »Mensch, wenn ich bloß daran denke«, knirscht er, »wie dieser Bock nach Rum stank, als wir Schröder beerdigten. –«
    Er bricht ab.
    »Nur nicht weich werden«, sagt Tjaden.
    Doch als hätten Kosoles Worte einen Vorhang weggerissen, der die ganze Zeit über schon leise wehte und schwankte, so scheint plötzlich eine graue, gespenstische Öde in die Wirtsstube hereinzuwachsen. Die Fenster verschwimmen, Schatten steigen aus den Ritzen des Fußbodens herauf, und die Erinnerung qualmt durch den rauchigen Raum.
    Kosole und Seelig konnten sich nie leiden. Aber Todfeinde wurden sie erst im August 18 . Wir lagen damals in einem zerschossenen Grabenstück hinter der Front und mussten die ganze Nacht an einem Massengrab arbeiten. Wir konnten es nicht sehr tief machen, denn das Grundwasser kam bald durch. Zum Schluss arbeiteten wir schon im dicken Schlamm.
    Bethke, Weßling und Kosole steiften die Wände ab. Wir andern sammelten die Leichen im Vorgelände und legten sie zu einer langen Reihe nebeneinander, bis das Grab fertig war. Albert Troßke, der Unteroffizier unserer Gruppe, nahm ihnen die Erkennungsmarken und Soldbücher ab, soweit sie noch welche hatten.
    Einige der Toten hatten schon schwarze, angefaulte Gesichter, denn die Verwesung ging schnell in den feuchten Monaten. Dafür aber rochen alle nicht so stark wie im Sommer. Manche waren nass und aufgedunsen vom Wasser wie Schwämme. Einen fanden wir mit ausgebreiteten Armen auf die Erde hingestreckt. Als wir ihn aufhoben, sahen wir, dass es fast nur die Fetzen der Uniform waren, die da lagen, so war er zerrissen. Auch die Erkennungsmarke war fort. Schließlich erkannten wir an einem Hosenflicken den Gefreiten Glaser. Er war sehr leicht; denn von ihm fehlte fast die Hälfte.
    Arme, Beine oder Köpfe, die einzeln gefunden wurden, sammelten wir in einer Zeltbahn für sich. Als wir Glaser brachten, sagte Bethke: »Genug. Wir kriegen keine mehr hinein.«
    Wir holten ein paar Sandsäcke voll Kalk. Jupp streute sie mit einer flachen Schaufel über die Grube aus. Bald darauf erschien Max Weil, der Kreuze von hinten geholt hatte. Zu unserm Erstaunen tauchte auch Seelig aus dem Dunkel auf. Wir hörten, dass er den Auftrag hätte, ein Gebet zu sprechen; denn ein Pfarrer war gerade nicht in der Nähe, und unsere beiden Offiziere waren krank. Er hatte deswegen schlechte Laune, denn er konnte kein Blut sehen, so dick er auch war. Dazu kam, dass er nachtblind war und wenig sah. Das machte ihn so nervös, dass er den Rand der Grube verfehlte und hineinfiel. Tjaden brach in ein Gelächter aus und rief mit unterdrückter Stimme: »Zuschütten – zuschütten.«
    Ausgerechnet Kosole arbeitete an dieser Stelle

Weitere Kostenlose Bücher