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Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.M. Remarque
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hast deinen Klassenlehrer mehr blamiert als jeder andere. Wirst gefallen gemeldet, kriegst eine Gedenkrede des gerührten Direktors, wirst darin als Held und Musterschüler gefeiert und hast die Unverschämtheit, nach all dem noch lebendig zurückzukommen! Der Alte ist jetzt in schöner Verlegenheit. Er muss nun alles zurücknehmen, was er dir als Leiche zugestanden hat – denn in Algebra und Aufsatz bist du bestimmt noch ebenso schlecht wie früher.«
    Wir wählen Schülerräte; denn unsere Lehrer mögen wohl gut sein, um uns ein paar Sachen für das Examen einzutrichtern, aber regieren lassen wir uns von ihnen nicht mehr. Für uns wählen wir Ludwig Breyer, Helmuth Reinersmann und Albert Troßke – für das Gymnasium Georg Rahe und Karl Bröger.
    Dann bestimmen wir drei Vertreter, die morgen zur Provinzialbehörde und zum Ministerium reisen sollen, um unsere Forderungen für die Schulzeit und das Examen durchzusetzen. Willy, Westerholt und Albert werden dazu ausgesucht. Ludwig kann nicht mitfahren, denn er ist noch nicht gesund genug.
    Die drei erhalten Militärausweise und Freifahrtscheine, von denen wir ganze Blocks vorrätig haben. Leutnants und Soldatenräte zum Unterschreiben haben wir ebenfalls genug.
    Helmuth Reinersmann gibt der Sache auch äußerlich das richtige Gesicht. Er fordert Willy auf, seinen neuen Rock, den er auf der Kammer erwischt hat, zu Hause zu lassen und dafür einen geflickten, von Splittern durchlöcherten, für die Reise anzuziehen.
    »Wieso?«, fragt Willy betroffen.
    »Auf Bürofritzen wirkt so was besser als hundert Gründe«, erklärt Helmuth.
    Willy weigert sich, denn er ist stolz auf seinen Rock und möchte in der Großstadt damit in den Cafés paradieren. »Wenn ich bei dem Schulrat ordentlich auf den Tisch haue, wirkt das genauso gut«, meint er.
    Aber Helmuth lässt nicht mit sich reden. »Wir können nicht alles in Klump schlagen, Willy«, sagt er, »wir brauchen diese Leute nun mal. Wenn du bei denen im geflickten Rock auf den Tisch haust, holst du für uns alle mehr heraus als in deinem neuen. Die Brüder sind so, glaub’s mir.«
    Willy gibt nach. Helmuth wendet sich nun Alwin Westerholt zu und mustert ihn. Er sieht ihm zu kahl aus, deshalb bekommt er Ludwig Breyers Orden angesteckt. »Für einen Geheimrat redest du dann überzeugender«, fügt Helmuth hinzu.
    Bei Albert ist das nicht nötig, er hat selbst genug auf der Brust klimpern. Die drei sind jetzt richtig ausgerüstet. Helmuth übersieht seine Arbeit. »Glänzend«, sagt er, »und nun los! Zeigt den Rübenschweinen mal, was eine echte Frontharke ist.«
    »Worauf du dich verlassen kannst«, erklärt Willy, der sich inzwischen wieder gefunden hat.
    Die Zigarren und Pfeifen qualmen. Wünsche, Gedanken und Begierden brodeln durcheinander. Weiß Gott, was aus ihnen wird. Hundert junge Soldaten, achtzehn Leutnants, dreißig Feldwebel und Unteroffiziere sitzen hier und wollen zu leben anfangen. Jeder von ihnen kann eine Kompanie in schwierigem Angriffsgelände mit geringsten Verlusten durchs Feuer bringen, jeder von ihnen würde keinen Moment zögern, das Richtige zu tun, wenn nachts in seinen Stollen das Gebrüll »Sie kommen« schallen würde, jeder von ihnen ist ein vollkommener Soldat, nicht mehr und nicht weniger.
    Aber für den Frieden? Taugen wir dazu? Passen wir überhaupt noch zu etwas anderm, als Soldaten zu sein?

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Dritter Teil
I
    Ich komme vom Bahnhof, um Adolf Bethke zu besuchen. Sein Haus erkenne ich gleich; er hat es mir draußen oft genug beschrieben.
    Ein Garten mit Obstbäumen. Die Äpfel sind nicht alle gepflückt. Viele liegen noch im Rasen unter den Bäumen. Auf einem freien Platz vor der Tür steht eine riesige Kastanie. Der Boden unter ihr ist über und über voll von rotbraunen Blättern, auch der Steintisch und die Bank darunter. Dazwischen schimmert das rötliche Weiß der aufgeplatzten, stacheligen Fruchtschalen und das glänzende Braun der herausgefallenen Kastanien. Ich nehme ein paar auf und betrachte die lackierte, geäderte Mahagonischale mit dem helleren Keimfleck darunter. Dass es so etwas gibt, denke ich und sehe mich um – dass es überhaupt das alles noch gibt: diese bunten Bäume, die blau umdunsteten Wälder – Wälder, keine granatenzerfressenen Baumstümpfe mehr; diesen Wind über den Feldern, ohne Pulverrauch und Gasgestank, diese umbrochene, fettig schimmernde Erde mit ihrem starken Geruch, die Pferde vor den Pflügen, nicht mehr vor Munitionskolonnen, und hinter ihnen,

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