Der Weg zurück
ohne Gewehre, heimgekehrt, Pflüger, Pflüger in Soldatenuniformen.
Die Sonne ist über einem Wäldchen hinter den Wolken versteckt, aber Strahlenbündel schießen silbern dahinter hervor, die bunten Drachen der Kinder stehen hoch am Himmel, die Lungen atmen, kühl schwingt die Luft hinein und heraus, es gibt keine Geschütze, keine Minen mehr, kein Tornister klemmt die Brust, kein Koppel hängt schwer am Magen – vorbei ist das ziehende Gefühl der Vorsicht und des Lauerns im Nacken, das halbe Schleichen, das immer in der nächsten Sekunde in Fallen, Liegen, Grauen und Tod übergehen konnte – frei und aufrecht, mit sorglosen Schultern, gehe ich und empfinde die Stärke dieses Augenblicks: da zu sein und meinen Kameraden Adolf zu besuchen.
Die Haustür steht halb offen. Rechts ist die Küche. Ich klopfe. Niemand antwortet. Ich sage laut guten Tag. Nichts rührt sich. Ich gehe weiter und öffne noch eine Tür. Jemand sitzt allein am Tisch; jetzt sieht er auf, verwildert, eine alte Uniform, ein Blick: Bethke.
»Adolf«, rufe ich erfreut, »hast du nichts gehört? Wohl gerade geschlafen, was?«
Er bleibt in seiner Haltung und reicht mir die Hand.
»Wollt’ dich mal besuchen, Adolf.«
»Ist gut von dir, Ernst«, sagt er trübe.
»Ist was los, Adolf?«, frage ich verwundert.
»Ach lass man, Ernst …«
Ich setze mich neben ihn. »Mensch, Adolf, was hast du denn?« Er wehrt ab. »Schon recht, Ernst, lass man. Nur gut, weißt, gut, dass mal einer von euch kommt.« Er steht auf. »Man wird ja verrückt, so allein …«
Ich schaue mich um. Seine Frau ist nirgendwo zu sehen. Er schweigt eine Zeit lang, dann sagt er noch einmal: »Gut, dass du gekommen bist.« Er kramt nach Schnaps und Zigaretten. Wir nehmen einen Korn aus dicken Gläsern, die unten rosa Einlagen haben. Vor dem Fenster liegt der Garten und der Weg mit den Obstbäumen. Es weht. Die Gartentür klappert. Aus der Ecke schlägt eine dunkel gebeizte Standuhr mit Gewichten.
»Prost Adolf.« – »Prost Ernst.«
Eine Katze schleicht durchs Zimmer. Sie springt auf die Nähmaschine und schnurrt. Nach einiger Zeit beginnt Adolf zu sprechen. »Da kommen sie und reden, Eltern, Schwiegereltern, und dabei verstehen sie mich nicht und ich sie nicht. Als wenn wir alle nicht mehr dieselben Menschen wären.« Er stützt den Kopf auf.
»Du verstehst mich, Ernst, und ich dich, aber da, bei denen, ist es, als wäre eine Wand dazwischen.«
Schließlich höre ich dann alles.
Bethke kommt nach Hause, den Affen auf dem Nacken, einen Sack guter Lebensmittel bei sich, Kaffee, Schokolade, sogar Seide für ein ganzes Kleid.
Er will ganz leise kommen, um die Frau zu überraschen, aber der Hund kläfft wie verrückt und reißt die Hütte fast um – da hält es ihn nicht mehr, er rennt den Weg zwischen den Apfelbäumen entlang – seinen Weg, seine Bäume, sein Haus, seine Frau, das Herz schlägt ihm wie ein Schmiedehammer oben im Hals, Tür auf, tiefes Atmen, hinein – »Marie …«
Er sieht sie, sofort hat sein Blick sie umfasst, es überströmt ihn, Halbdunkel, Heimat, die tickende Uhr, der Tisch, der große Ohrenstuhl, die Frau – er will auf sie zu. Aber sie weicht zurück und starrt ihn an wie einen Schatten.
Er begreift noch nichts. »Hast du dich so erschreckt?«, fragt er lachend.
»Ja«, sagt sie angstvoll.
»Wird sich schon geben, Marie«, antwortet er, zitternd vor Aufregung. Jetzt, wo er im Zimmer ist, bebt alles an ihm. Zu lange ist es auch her.
»Ich wusste nicht, dass du schon kommst, Adolf«, sagt die Frau. Sie ist zurückgewichen zum Schrank und sieht ihn mit großen Augen an. Etwas Kaltes fasst ihn einen Moment und quetscht ihm die Lungen zusammen. »Freust du dich denn gar nicht?«, fragt er unbeholfen.
»Ja doch, Adolf …«
»Ist denn was passiert?«, fragt er weiter und hat immer noch alle Sachen in der Hand.
Da geht die Heulerei auch schon los, sie liegt mit dem Kopf auf der Tischplatte, warum soll er es nicht gleich erfahren, die andern werden es ihm doch schon sagen, sie hat mit jemand etwas gehabt, es ist über sie gekommen, sie wollte gar nicht und hat immer bloß an ihn gedacht, und nun soll er sie eben totschlagen.
Adolf steht und steht und merkt schließlich, dass er den Affen immer noch auf dem Rücken hat. Er schnallt ihn ab, er packt aus, er zittert, er denkt immerfort: kann doch nicht wahr sein, kann doch nicht wahr sein – und packt weiter aus, nur nicht ruhig sein jetzt; die Seide knistert in seiner Hand, er hält sie hin,
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