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Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.M. Remarque
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möglich?
    »So kommt sie jeden Tag und sitzt da und sagt nichts und wartet und sieht mich an«, sagt Adolf gramvoll. Ich habe Mitleid mit ihm, aber jetzt habe ich auch Mitleid mit der Frau. »Fahr mit in die Stadt, Adolf, hat keinen Zweck, dass du hier hockst«, schlage ich vor. Er will nicht. Draußen schlägt der Hund an. Die Frau geht jetzt durch die Gartentür, zurück zu ihren Eltern.
    »Will sie denn wieder hierher?«, frage ich. Er nickt. Ich frage nicht weiter. Das muss er selbst abmachen. »Solltest doch mitkommen«, versuche ich noch mal.
    »Später, Ernst.«
    »Steck dir wenigstens eine Zigarre an.« Ich schiebe ihm die Kiste hin und warte ab, bis er eine nimmt. Dann gebe ich ihm die Hand. »Ich besuche dich wieder, Adolf.«
    Er bringt mich an die Hoftür. Ich winke nach einiger Zeit zurück. Er steht immer noch am Gitter, und hinter ihm ist wieder das Dunkel des Abends, wie damals, als er ausstieg und von uns ging. Er hätte bei uns bleiben sollen. Jetzt ist er allein und unglücklich, und wir können ihm nicht helfen, so gern wir es auch täten. Ach, im Felde war das einfacher – wenn man da nur lebte, war alles schon gut.
II
    Ich liege auf dem Sofa, die Beine lang ausgestreckt, den Kopf auf der Lehne und die Augen geschlossen. Im Halbschlaf gehen mir die Gedanken wunderlich durcheinander. Das Bewusstsein verschwimmt zwischen Wachen und Traum, und wie ein Schatten läuft die Müdigkeit durch meinen Schädel. Hinter ihr weht undeutlich ferner Geschützlärm heran, leise pfeifen Granaten, und blechern kommt das Läuten von Gongs näher, die einen Gasangriff melden – aber ehe ich nach meiner Maske tasten kann, weicht die Dunkelheit lautlos zurück, die Erde, an die ich mich gepresst habe, zerfließt vor einem warmen, helleren Gefühl, sie wird wieder zum Plüschbezug des Sofas, der sich gegen meine Wange drückt, unklar und tief spüre ich: zu Hause – und das Gasläuten der Gräben zerschmilzt im gedämpften Klappern des Geschirrs, das meine Mutter vorsichtig auf den Tisch stellt.
    Dann huscht die Dunkelheit erneut näher und mit ihr das Murren der Artillerie. Nur weit her, als kämen sie über Wälder und Meere, höre ich Worte hineintropfen, die sich erst allmählich zu einem Sinn fügen und zu mir vordringen. »Die Wurst ist von Onkel Karl«, sagt meine Mutter in das leise Grollen der Geschütze hinein.
    Die Worte erreichen mich gerade noch am Rande des Trichters, in den ich niedergleite. Mit ihnen huscht ein sattes, selbstbewusstes Gesicht vorbei. »Ach, der«, sage ich ärgerlich, und meine Stimme klingt, als hätte ich Watte im Munde, so wogt die Müdigkeit weiter um mich herum, »dies – dämliche – Arschloch.« Dann falle ich, falle, falle, und die Schatten springen zu mir herein und überfluten mich in langen Wellen, dunkler und dunkler. – Aber ich schlafe nicht ein. Es fehlt etwas, das vorher da war – das gleichmäßige, leise, metallische Klirren. Langsam fühle ich mich zum Denken zurück und öffne die Augen. Da steht meine Mutter mit blassem, entsetztem Gesicht und starrt mich an. »Was hast du denn?«, rufe ich erschreckt und springe auf. »Bist du krank?«
    Sie wehrt ab. »Nein, nein – aber dass du so etwas sagen kannst. –«
    Ich denke nach. Was habe ich denn nur gesagt? Ach so, das mit Onkel Karl. – »Na, Mutter, sei doch nicht so empfindlich«, lache ich erleichtert, »Onkel Karl ist wirklich ein Schieber, das weißt du doch auch.«
    »Das meine ich gar nicht«, antwortet sie leise, »aber dass du solche Ausdrücke gebrauchst. –«
    Mit einmal fällt mir ein, was ich da im Halbschlaf gesagt habe. Ich schäme mich, weil mir das gerade bei meiner Mutter passieren musste. »Es ist mir so herausgerutscht«, erkläre ich entschuldigend, »man muss sich wirklich erst gewöhnen, dass man nicht mehr draußen ist. Da herrscht ein rauer Ton, Mutter. Rau, aber herzlich.«
    Ich glätte mir die Haare und knöpfe den Waffenrock zu. Dann suche ich nach Zigaretten. Dabei sehe ich, dass meine Mutter mich immer noch anblickt und dass ihre Hände zittern.
    überrascht halte ich inne. »Aber Mutter«, sage ich erstaunt und lege den Arm um ihre Schulter, »so schlimm ist das doch wahrhaftig nicht. Soldaten sind nun mal so.«
    »Ja, ja, das weiß ich«, erwidert sie, »aber du – du auch. –«
    Ich lache. Natürlich, ich auch, will ich rufen, aber ich schweige plötzlich und lasse sie los, so trifft mich etwas. Ich setze mich auf das Sofa, um mich zurechtzufinden.
    Vor mir steht die alte

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