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Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.M. Remarque
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Hosennaht gemacht, von Parteisekretären, die vor ihrer eigenen Courage schon wieder Angst gekriegt haben. Sieh dir an, wie sie sich bereits gegenseitig in den Haaren liegen, Sozialdemokraten, Unabhängige, Spartakisten, Kommunisten. Inzwischen knallen die anderen ihnen in aller Gemütsruhe die paar wirklichen Köpfe ab, die sie haben, und sie merken es nicht mal.«
    »Nein, Georg«, sagt Ludwig, »so ist es nicht. Wir haben mit zu wenig Hass Revolution gemacht, das ist wahr, und wir wollten gleich von Anfang an gerecht sein, dadurch ist alles lahm geworden. Eine Revolution muss losrasen wie ein Waldbrand, dann kann man später zu säen beginnen; aber wir wollten nichts zerstören und doch erneuern. Wir hatten nicht einmal mehr die Kraft zum Hass, so müde und ausgebrannt waren wir vom Kriege. Man kann selbst im Trommelfeuer vor Ermüdung einschlafen, das weißt du ja auch. – Aber vielleicht ist es noch nicht zu spät, um durch Arbeit zu erreichen, was im Angriff versäumt worden ist.«
    »Arbeit«, antwortet Georg wegwerfend und lässt den Bergkristall unter der Lampe funkeln, »wir können kämpfen, aber nicht arbeiten.«
    »Wir müssen es wieder lernen«, sagt Ludwig ruhig aus der Ecke seines Sofas heraus.
    »Dazu sind wir verdorben«, entgegnet Georg. – Einen Augenblick ist es still. Der Wind summt vor den Fenstern. Rahe geht mit großen Schritten in Ludwigs kleinem Zimmer umher, und es sieht aus, als passe er wirklich nicht mehr zwischen diese Wände der Bücher, der Stille und der Arbeit – als gehöre sein scharfes, klares Gesicht über der grauen Uniform nur noch in Gräben, Kampf und Krieg. Er stemmt die Arme auf den Tisch und beugt sich zu Ludwig herunter. Das Lampenlicht fällt auf seine Achselstücke, und hinter ihm glitzern die Quarze der Steinsammlung.
    »Ludwig«, sagt er behutsam, »was tun wir denn hier? Sieh dich um: wie schlapp und trostlos ist das alles! Wir sind uns selbst und anderen zur Last. Unsere Ideale sind bankrott, unsere Träume kaputt, und wir laufen in dieser Welt von braven Zweckmenschen und Schiebern umher wie Don Quichotes, die in ein fremdes Land verschlagen worden sind.«
    Ludwig sieht ihn lange an. »Ich glaube, wir sind krank, Georg. Wir haben den Krieg noch in den Knochen.«
    Rahe nickt. »Wir werden ihn auch nie mehr los.«
    »Doch«, erwidert Ludwig, »denn sonst wäre alles umsonst gewesen.«
    Rahe springt hoch und schlägt die Fäuste auf den Tisch. »Es war umsonst, Ludwig, das ist es ja, was mich verrückt macht! Was waren wir für Menschen damals, als wir hinausgingen in diesem Sturm von Begeisterung! Eine neue Zeit schien angebrochen zu sein, alles Alte, Vermorschte, Halbe, Parteiische war weggefegt, wir waren eine Jugend wie keine zuvor!«
    Er packt den Klumpen Bergkristall wie eine Handgranate. Seine Fäuste zucken. »Ludwig«, fährt er fort, »ich habe in vielen Unterständen gelegen, und wir waren alle junge Menschen, die um eine elende Kerze hockten und warteten, und über uns raste das Sperrfeuer wie ein Erdbeben – wir waren keine Rekruten mehr und wussten, worauf wir warteten, und wussten, was kam –, aber Ludwig, in diesen Gesichtern im Halbdunkel unter der Erde war mehr als Fassung, war mehr als Mut, war mehr als Todesbereitschaft – der Wille für eine andere Zukunft war in diesen regungslosen, harten Gesichtern, und er war darin, wenn wir stürmten, und er war noch darin, wenn wir starben! Wir wurden stiller, Jahr um Jahr, vieles fiel ab, aber dieses eine blieb. Und jetzt, Ludwig, wo ist es jetzt geblieben? Begreifst du, dass alles das versacken konnte in diesem Brei von Ordnung, Pflicht, Weibern, Regelmäßigkeit und wie das alles heißt, das sie hier Leben nennen? Nein, gelebt haben wir damals, und wenn du mir hunderttausendmal sagst, dass du den Krieg hasst, aber gelebt haben wir damals, weil wir zusammen waren, und weil in uns etwas brannte, was mehr war als dieser ganze Dreck hier!«
    Er atmet heftig: »Es muss für etwas gewesen sein, Ludwig! Einmal, einen Augenblick lang, als es hieß Revolution, habe ich gedacht: Jetzt kommt die Befreiung, jetzt fließt der Strom zurück und reißt nieder und gräbt neue Ufer – und bei Gott, ich wäre dabei gewesen! Aber der Strom ist zersprengt worden in tausend Rinnsale, die Revolution wurde zum Zankapfel um Posten und Pöstchen, sie ist versickert, verschmiert, aufgesogen von Berufen, Verhältnissen, Familien und Parteien. Aber ich mache das nicht mit. Ich gehe dahin, wo ich die Kameradschaft noch

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