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Der Weihnachtsfluch - Roman

Der Weihnachtsfluch - Roman

Titel: Der Weihnachtsfluch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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finsteren Mächten beigewohnt habe, und doch nicht weiß, wer diese Tat begangen hat.«
    Sie hätte ihm so gerne darauf geantwortet. Sie wusste, wie es war, wenn ein Mordfall eine subtile, schreckliche Wendung erfährt, wenn nichts so ist, wie es zu sein scheint. Vor langer Zeit war ihre ältere Schwester Opfer einer solchen Tat geworden. Und doch, als die Wahrheit ans Tageslicht gekommen war, hatte sie eher Mitleid als Wut gegenüber demjenigen empfunden, der so gepeinigt war, dass er wieder und wieder tötete, aus einem inneren Schmerz heraus, an den niemand herankam.
    »Darauf haben wir keine Antwort«, sagte sie leise und ließ endlich seinen Arm los. »Ich habe einmal jemanden gut gekannt, der mehrmals tötete. Und als am Schluss alles aufgeklärt war, verstand ich ihn.«
    »Aber das hier ist meine Gemeinde!«, protestierte er mit zittriger Stimme. »Ich höre ihre Beichte an. Und vor allem weiß ich, was sie lieben und nicht mögen, kenne ihre Ängste und ihre Träume. Wie kann ich ihnen zuhören und doch keine Ahnung davon haben, wer es getan hat? Was auch immer der Beweggrund gewesen sein mag, sie hätten zu mir kommen können, hätten wissen müssen, dass ich ein offenes Ohr für sie gehabt hätte!«

    Er breitete die Arme aus. »Ich habe Connors Leben nicht gerettet, und, was noch schlimmer ist, ich habe die Seele desjenigen, der ihn getötet hat, nicht gerettet. Oder derjenigen, die ihn jetzt noch in Schutz nehmen. Der ganze Ort geht daran zugrunde, und ich stehe dem machtlos gegenüber. Ich habe weder den Glauben noch die Kraft, helfend einzuschreiten.«
    Ihr fiel keine Antwort ein, die nicht banal erschienen wäre, die so geklungen hätte, als könnte sie seinen Schmerz nicht verstehen.
    Er blickte auf den Sand hinunter, der um ihre Füße wehte und immer wieder wegrutschte. »Und jetzt ist noch ein junger Mann gekommen, als wäre der Tod wieder erschienen, als würde alles noch einmal von vorne losgehen. Und ich kann immer noch nichts dagegen tun.«
    Emily litt für ihn, für alle im Dorf. Jetzt verstand sie auch, was Susannah vor ihrem Tod geklärt haben wollte. Glaubte sie, Emily könnte dabei helfen, weil sie und Charlotte sich damals mit Pitts Fällen beschäftigt hatten? Sie hatten Beweise gefunden, aber Emily hatte keine Ahnung, wie man von Anfang an ermittelt, wie man Wichtiges von Unwichtigem trennte und alles an die richtige Stelle rückte, um eine zusammenhängende Geschichte zu erhalten, meistens eine tragische Geschichte.
    Hugo Ross hatte noch gelebt, als Connor Riordan hier war. Was hatte er gewusst? Fürchtete Susannah, dass er irgendwie in die Sache verwickelt war, jemanden vor dem Gesetz in Schutz genommen hatte, weil es seine Leute aus dem Dorf waren? Oder hatte sie Angst, dass, wenn sie nicht mehr leben würde und die Erinnerung
an ihn nicht mehr schützen könnte, man Hugo beschuldigen würde?
    Emily wollte ihr helfen, mit einer Entschlossenheit, die sie selbst überraschte, aber sie hatte keine Ahnung, wie.
    Father Tyndale konnte es in ihrem Gesicht lesen. Er schüttelte den Kopf. »Sie können nichts tun, meine Gute. Das habe ich Ihnen schon gesagt. Machen Sie sich keine Vorwürfe. Ich kenne diese Menschen von Geburt an und ich weiß auch nicht weiter. Sie aber sind erst ein paar Tage hier, kommen aus einem fremden Land, wie sollten Sie das denn schaffen?«
    Das tröstete Emily keineswegs. Sie legte die Einkäufe auf den Küchentisch, damit Maggie sie wegräumen konnte.
    Im Wohnzimmer fand sie Daniel vor, der aufgestanden war. Die Kleidungsstücke waren viel zu weit für ihn, hatten aber immerhin die richtige Länge. Sicher hatten sie Hugo Ross gehört, was Susannahs Gesichtsausdruck dann auch bestätigte.
    »Vielen Dank, dass Sie sich um mich gekümmert haben, Mrs. Radley«, sagte Daniel lächelnd und mit einem Blick, der Wärme und eine helle und sanftmütige Intelligenz ausstrahlte, die mit Humor einherging. »Außer gehöriger Schmerzen und ein paar blauer Flecken, auf die ein Kämpfer stolz wäre, geht es mir gut.« Er zuckte mit den Achseln. »Aber ich kann mich immer noch nicht erinnern, nur daran, dass ich keine Luft mehr bekommen habe und fror und dachte, dass ich jetzt sterben müsste.«

    »Wie haben die anderen Männer Sie genannt?«, wollte Emily wissen.
    Er zögerte, versuchte krampfhaft sich zu erinnern. »Ich denke Daniel. Mehr weiß ich nicht.«
    »Und die anderen? Wie hießen die?«, fragte sie beharrlich.
    »Da gab es einen … Joe, glaube ich.« Er runzelte die

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